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Das Werbeplakat: Kirchliche Sprachmuster im entchristlichten Abendland

Das Werbeplakat: Kirchliche Sprachmuster im entchristlichten Abendland

Werbung ist eine Fundgrube, so wie dereinst Volkslieder oder Omas Sprüche. Es ist immer mehr dran, als wir ahnen. Die gelbe Schrift wird in der Bedeutungslosigkeit versinken. Die Inspirationsquelle der Werbelinie wahrscheinlich auch. Aber der ::esel:: bleibt als Charakter, bis die Evolution etwas Besseres gefunden hat. Dieses Plakat könnte ich als Vorlage für eine Predigt nutzen.

Ist Ihnen aufgefallen, dass in dem Werbespruch die Kirche durch Schampus ersetzt wird?
Die Sakramente bieten stets Anlaß für Schampus. Man geht da ganz unverkrampft mit um, seit einen niemand mehr in den Beichtstuhl zwingen kann. Also: warum nicht? Mothers little helper. Ein wenig spießig sieht die Familie aus, aber vielleicht ist doch der Vater (wenn er der Vater der Kinder ist) der Hausmann und die Mutter geht arbeiten. Es verändert sich grad so viel. Eigentlich verändert es sich bereits seit der Aufklärung. Manche merken es grade erst. Aber wir sind viel zu cool, uns das anmerken zu lassen.

(Mir fällt grade ein: haben Sie die Uhr umgestellt? Das ist auch so ein Thema wie das Wetter in England. Heute lief mir nicht einer über den Weg, der nicht auf den Lippen gehabt hätte, dass er drauf verzichten könne. Aber das setze ich in Klammern, weil es nur heute und morgen Thema ist.)

Was hat der Esel da eigentlich zu suchen?
Werbegrafiker sind im Grunde auch Künstler und können darum mehr als sie wissen. Das weiß ich von Pierre Bourdieu, weil ich in der besten Buchhandlung meines Universums ein Buch über die Symbolische Revolution gekauft und anschließend gelesen habe. Lesen Sie es. Besser hätte ich es auch nicht schreiben können.

Eines noch: Die Rechenaufgabe erinnert mich an eine Zeile aus einem Gedicht von Jörg Zink:

Sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Sein Buch Wie wir beten können erschien zum ersten Mal 1970 und wurde immer wieder neu aufgelegt - zuletzt 2015 im Herder-Verlag. Zink meinte, man könne die Zeitung als Gebetsvorlage nehmen. Seine Anleitungen zum Gebet sind bei weitem nicht so verschwurmelt wie unsere heutigen.

Das Plakat hing am Bahnhof in Witten. Immer wieder ein inspirierender Ort.