In unserer Gemeinde gab es mal Familienkreise, die aber nur noch privat existieren, das heißt: ihre Aktivitäten, ihr Leben ragt nicht mehr in die Gemeindeöffentlichkeit hinein. Wenn man eines ihrer Mitglieder auf den Familienkreis anspricht, wird es ganz hektisch. Die Augen blicken hilfsuchend oder ängstlich. Die Antwort kommt prompt: Neinnein, das geht nicht mehr, das wird alles zu viel. Außerdem sind die Kinder schon groß und man muss die Enkel hüten. ^^ Mir kommt der Gedanke, dass es nicht die Jugendlichen sind, die der Gemeinde fehlen, sondern dass der Faden der Tradition irgendwann gerissen ist. Den will aber niemand flicken.
Bei einem Gremientreffen unseres Dekanates berichtete vor einigen Jahren ein Vertreter von Adveniat von seinen Erfahrungen mit Kleinen Christlichen Gemeinschaften. Er erzählte, dies sei eine Organisationsform von Bischöfen ärmerer Länder, die Gemeinschaften in überschaubarer Größe stifteten, so dass Glauben gelebt werden kann. In ihnen ist Glauben und Leben nicht zweierlei. Unser Gremientreffen wurde von weißem Rauch gestört. Wir begaben uns an einen kleinen provisorischen Fernseher in einem Nebenraum und sahen einen uns unbekannten Lateinamerikaner auf den Balkon des Vatikan treten und hörten ihn in seiner Muttersprache Guten Abend sagen. Dann gingen wir wieder zur Tagesordnung über. Wir stellten fest, dass Kleine Christliche Gemeinschaften nichts für uns seien, weil da sowieso keiner mitmacht.
Und jetzt weiß ich auch nicht.
Übrigens: Unter Tradition verstehe ich im Wortsinn, dass wir die Botschaft weitergeben.
Dieses Video kann versöhnen. Momentan aber stehen wir etwas ratlos da oder wir wissen es besser, auf jeden Fall kriegen wir die Sache mit der Vielfalt nicht hin. Ich bin überzeugt, dass wir (alle Getauften) (gerne auch alle, die sich zugehörig fühlen) mit einem Wir-Gefühl, dass nicht an gemeinsamen Veranstaltungen hängt, weiterkämen. Auch ich fühle das Bedrohliche der näherkommenden Wüste, die die schrumpfende Gemeinde auszutrocknen droht. Wenn ich neue Wege gehen möchte, fühlen sich Gemeindemitglieder bedroht. Sie wollen den "See" schützen. Das kann ich gut verstehen. Auch ich brauche Quellen = Orte, an denen ich geborgen bin und mit anderen vertrauten Umgang pflegen kann. Aber ich kann das nicht auf diese Weise. Mir fehlen überzeugende Worte, mir fehlt das richtige Bild, meine Haltung verständlich rüberzubringen, mir wird es zu eng im See, denn der missionarische Auftrag ist meine Berufung.
Dieses Video kann versöhnen, obwohl da steht: "Kirche als Auslaufmodell". Manch einer wird es nicht sehen wollen, weil er Polemik gegen seine kirchliche Beheimatung fürchtet. Aber es geht um ein
auslaufen
Großzügig säen. Viele Menschen beköstigen, obwohl nichts da ist. ... So Vieles hat uns die Tradition mitgegeben als Ermutigung, die Liebe Gottes allen Menschen weitergeben zu können. Ich bin es ja nicht, die das tut. Ich bin nur, um im Bild des Videos zu sprechen, ein Tropfen. Kirche ist ein Modell, dass davon lebt, dass seine Mitglieder ihrer Berufung folgen. Es ist kein Krieg angesagt, wenn die einen den Pfarrsaal pflegen und Konzepte entwickeln, um die Kirche/den Kirchbau zu retten, die anderen aber irgendwo unterwegs sind und niemand so recht weiß, was sie tun. Aber auch das zeigt der Schluß des Videos: Kommunikation ist wichtig. Wir sollten unsere Gemeinschaften, welche Form auch immer sie haben, pflegen. War das nicht schon immer so? Was wäre Thomas Mann ohne Tonio Kröger? Was wäre das Volk Gottes ohne Joseph? Was wär die Wissenschaft ohne Ada Lovelace? Was wäre die Kirche ohne mich? Was wäre ich ohne die Gemeinschaft der Glaubenden? Aber wie ist diese Gemeinschaft erlebbar?
Heute kann man nicht einfach sagen "Kommt und seht". Das haben wir im Studium der Religionspädagogik bereits in den 80igern bemängelt. Karl-Heinz Schmitt war unser Erziehungswissenschaftler. Mit großem Engagement hat er unsere Beobachtungen geschärft und damit auch unsere Bebachtungsgabe. Wir sind nach dem Studium in Gemeinden gegangen, in denen man uns sagte, es werde nur mit Wasser gekocht und mit uns begänne nicht die neue Zeit. Aber Irmgard Pahl hatte uns als Liturgiewisschaftlerin mit ihrer Begeisterung für das II. Vatikanische Konzil angesteckt, so dass die einen den Marsch antraten und für die anderen nur neue Betätigungsfelder in Frage kamen. Und Eugen Drewermann erläuterte, dass es im Eherecht den "Irrtum in der Person" gäbe, was uns neu war. Wir faßten das als übertragbares Bild auf und blieben auf der Hut - wenn auch zuversichtlich.
Niemand wird einem an der Kirche interessierten Menschen sagen: "Komm und schau es dir an." Was kann man sich anschauen? Das Ganze ist groß undunübersichtlich. Man kann aber sagen. "Schau dich in Ruhe um, lass dir Zeit. Ich kann dir gerne zeigen, was mir gefällt. Was dir gut tut, musst du selber rausfinden." So ist das im 21. Jahrhundert. Es gibt keine einfachen Antworten. Das heißt aber auch, dass niemand als esoterischer Spinner gelten kann, der sich hinausstürzt in die Wüste. Wem das so vorkommt, der müsste sich eher fragen, ob er Informationsbedarf hat. Dazu sind Bildungsräume wichtig. Beispielsweise brauchen Erstkommunion-Katechtenrunden nach meiner Erfahrung selten Anweisungen für die Stunden mit den Kindern, sondern Möglichkeiten ihre eigenen Fragen zu stellen. Das muss in Freiheit geschehen und mit Liebe, alles andere wäre Unfug.
Aber wo geh ich nun hin, da es keine Familienkreise bei uns gibt und Kleine Christliche Gemeinschaften nicht von Interesse sind, es nur kfd im Auflösungsprozess und den PEP (Pfarreientwicklungsprozess) und vergleichbare Gremien gibt - und natürlich gewachsene Strukturen, irgendwie dörflich, mir zu eng?