Was Pfarreientwicklung ist, ist klar definiert bei uns im Bistum Essen. Und doch können wir uns von den Fesseln des Faktischen nicht lösen. "Ohne Geld geht gar nichts", heißt die vollmundige, weil einleuchtende Devise. Das man sich umsonst müht, wenn der Herr das Haus nicht baut, bedürfte einiger Erklärungen und gilt schon allein deswegen als spleenig. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott.
Wer hauptberuflich im kirchlichen pastoralen Dienst ist, kann sich nur schwer behaupten, es sei denn, er sitzt in irgendeinem Boot. Der Dampfer der Prominenz ist das sicherste Terrain. Am Besten, man veröffentlicht was. Kann auch ein Buch sein. Die bodenständigen Kollegen fühlen sich abgehängt, unverständen, fehlgeleitet. Sie mögen ihre Arbeit, auch wenn sie sie schwer finden. Aber ihnen fehlt das Vokabular der Viel-geschulten, die untereinander gut klar kommen. Um beim Cocktail den Anschluß im Plauderton nicht zu verlieren, muss man lesen, lesen, lesen und einen Haufen an Zusatzqualis an Land ziehen. Man ist wochenweise aus dem laufenden Betrieb genommen, was insbesondere Familienmenschen nur schwer umsetzen können. Die Gemeindereferentin, die Zeit ihres Berufslebens Kinder auf den Empfang von Sakramenten vorbereitet hat, Katechtenschulungen durchführte, Eltern begleitete, PGRs überzeugte von ihren Ideen, steht auf einmal schwer im Abseits. Seit Jahrzehnten wird alles in Frage gestellt, aber das ist schon so normal, dass es nicht mehr ernst genommen wurde. Wer heute die Beschlüsse der Würzburger Synode liest, reibt sich verdutzt die Augen: Das haben wir in den 80igern beschlossen? Seitdem ist die Sprache öffentlicher Verlautbarungen nicht leichter lesbar geworden, so dass wir mit einigem Schrecken und sehr abrupt festellen müssen:
Es gibt Lesbares in Sachen Pastoral.
Es fing alles mit Menschen wie Anselm Grün an. Aber jetzt sind es komplizierte Sachen, sehr theologisch, keine Erbauungsliteratur. Ist das etwas, in das wir uns einlesen können? (Keine Literaturliste an dieser Stelle.)
Von Bertelsmann bis Amazon
Wir hatten Zuhause Bücher aus dem Bertelsmannclub. Es gab ein dünnes rotes Bändchen mit Wissenswertem aus aller Welt. Darin las ich gerne. Ich las von den 4 Temperamenten und fand, das das einleuchtend sei. Ich probierte es an meinen Mitmenschen aus und war zufrieden.
Dann kam die Oberstufe und der Psychologieunterricht und wir lernten: Ich bin ok - Du bist ok. Auch das fand ich anwendbar und einleuchtend.
Im Laufe der Zeit kam mir allerhand Überzeugendes auf den Schreibtisch. Wir diskutierten im Studium. In den Pfarreien diskutierten wir nicht mehr. In den Weiterbildungen kam immer wieder die Frage auf, was wir mit all den interessanten Dingen anfangen sollten, wenn wir damit in unseren Gemeidnen doch nicht ankämen.
Spätestens beim Enneagram war für mich Ende im Gelände. Ich begann mich zu fragen, warum es immer wieder diese Konzepte geben muss. Mir ist schon klar, dass mit jedem Menschenleben das Lernen neu beginnt. Aber ich sehe heute nicht mehr ein, warum ich immer wieder mein Vokabular erweitern soll, statt ernst zu machen mit dem, was mir wichtig ist.
Nur: Wie fasse ich das in Worte? Wie setze ich es um? Wie mache ich mich verständlich?
Informieren, kommunizieren, entscheiden
Meine Biografie ist entscheidend geprägt von einem Glauben, der nicht begründet werden muss. Wir haben eine Beziehung, Gott und ich. Da herrscht tiefes Vertrauen. Die Bibel ist eine wichtige Quelle für meine Sprachfähigkeit in Sachen Glauben, ebenso die Kirchengeschichte. Das ganze Leben ist wunderbar, ich liebe die Natur, Musik und die Menschen. Sexueller Mißbrauch in der katholischen Kirche erschüttert mich. Es ist nicht so, dass mir das Böse fremd wäre. Aber das ist nicht zu verstehen. Da hängt so viel dran. "Es menschelt" ist ein beliebter Ausdruck, wenn mal wieder ein Teil des Pfarreientwicklungsprozesses versumpft. Aber wir gehen es nicht an. Wer trägt Verantwortung? Wer ist beteiligt? Wo laufen Entscheidungswege? Warum tun wir das alles? Was ist das Ziel? Hier bin ich ratlos. Aber ich kann weitermachen. Gebt mir Zeit, mich auszuruhen. Ich kann schlafen, beten, lachen, Musik hören. Es gibt andere Menschen, die lernen und sich freuen und teilen wollen. Das Leben ist gut. Alles ist möglich.
Wenn ich zu sagen hätte, gäb es in unserer Kirche Offene Daten. Ein Begriff, darum groß geschrieben. Alles wäre einsehbar. Bis auf die sensiblen persönlichen Daten. Alles wäre zugänglich. Information.
Wenn ich zu sagen hätte, gäbe es in unserer Kirche genügend Menschen, die ansprechbar sind. Niemand müsste denken: "Ich kann den Pastor nicht fragen. Der hat zu viel zu tun."
Wenn ich zu sagen hätte, würde aus dem Informieren und dem Kommunizieren ein nachvollziehbarer Entscheidungsprozess entstehen. Und am Ende stünden Entscheidungen.
Und immer so weiter.
Informieren, kommunizieren, entscheiden.
Die Bibel lesen, beten, in Ruhe schlafen. Aufstehen, weitermachen.
irrewirre
Im Bistum Essen gehöre ich zu den wenigen Hauptamtlichen, deren Auftrag die Seelsorge im Kontext "Menschen mit Behinderung" ist. Wir sind ein kleines Bistum. Wir sind nicht Viele. Man kennt sich. Im Bereich "Menschen mit Behinderung" gibt es rasante Entwicklungen. Das ist wunderbar. Dramatisch ist die Unbeweglichkeit der großen Träger der Behindertenhilfe. Es fließen Gelder. Im Konfliktfall geht es auch mal um Arbeitsplätze. Aus meiner Sicht geht es aber um Menschen, die dank moderner Technik mehr Möglichkeiten zur Kommunikation haben als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Ich versuche meinen Standpunkt so oft es geht und so klar es geht zu kommunizieren. Trotzdem ... werde ich viel zu wenig wahrgenommen ... werden Menschen mit Behinderung immer noch in erster Linie als Hilfsbedürftige wahrgenommen. Ein Drama.
Wir wunderbar sind die Hilfsmittel, mit denen wir kommunizieren können. Wir können Meinungen austauschen und bilden. Es muss nicht mehr alles in einer Sitzung passieren, weil wir zwischen den Sitzungen Kontakt halten können. Ergebnisse können einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. -> Take a look at this
Ein Drama ist auch, dass jede Diskussion im Pfarreientwicklungsprozess früher oder später in den Fängen der Finanzen landet. Wenn wir über Nacht alle Pfarrstellen besetzen könnten, gäb es keine ehrenamtlichen Gemeindeleiter mehr. Da bin ich sicher. Aber das muss ich nicht beweisen. Aber ich muss Menschen in unseren Gemeinden davon überzeugen, dass Ehrenamtskoordinatoren eine Schulung brauchen und das wir Ehrenamtskoordinatoren brauchen. Casting? Wir brauchen ein Casting? Und schon ist das Pastroalteam weg vom Fenster. Die stellen sich nämlich ein Casting lebbhaft vor. Die Kollegn und Kolleginnen haben ja Phantasie.
Aber wir brauchen natürlich trotzdem Ehrenamtliche, weil wir ja keine Priester haben. *Alter Schwede* Das ist so bekloppt, da fallen mir schon keine Worte mehr ein.
Warum machen wir das alles? Weil wir keine Priester und kein Geld haben. Wir machen das nicht, weil die Taufe die höchste Würde ist, die Menschen in unserer Kirche erlangen können und weil wir so viele unentdeckte Charismen in unseren Gemeinden vermuten, die alle unentdeckt bleiben, weil sie in das herrschende Gemeindesystem nicht passen. Wir machen das natürlich auch nicht deswegen: Jesus Christus hat uns einen Auftrag gegeben. Wir sollen aller Welt das Evangelium verkünden. Die Frohe Botschaft. Wir sollen allen sagen, dass wir gerettet sind und das es Frieden geben wird und das jeder Mensch von Gott geliebt ist und das es einen Weg durch die Wüste gibt und für jeden Menschen ein Gebet und wer keine Worte mehr hat, an dessen Stelle tritt der Heilige Geist selbst und formt Worte, eindeutig und klar, unmißverständlich und heilsam.
Wenn der Herr das Haus nicht baut, müht sich der Bauherr umsonst.
Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und euch spät schlafen legt.
Den Seinen gibt 's der Herr im Schlaf.
Psalm 127
Es ist ein Wunder, dass trotz dieser gottverdammten Mißbrauchsskandale in unserer Kirche, die kein Ende nehmen wollen, das Wort Gottes trotzdem noch auf fruchtbaren Boden fällt.
Aber was kann ich tun? Was ist nun meinen Aufgabe?
Eine Vision und der Status Quo
Ein Ort zum Leben und die Möglichkeit, alles zu teilen.
Teil einer Gemeinschaft sein, deren Schätze im Himmel sind.
Geben, was wir geben können - nennen wir es charismenorientiert.
Mit meinem glühenden Gesicht und den schweren Beinen fühle ich mich Elija nahe. Niederlegen, um zu sterben, dennoch wissen, dass Gott da ist.