WDR 5 beim Spülen. Mit halbem Ohr. Dann geht mir dieser Satz nicht mehr aus dem Sinn. Im Podcast finde ich ihn nicht. Es war wohl doch WDR 3. Finde den Satz nicht. Nicht mal an die Sendung kann ich mich mehr erinnern. Aber da gibt es diese Hotline, die ich zum ersten Mal in meinem Leben anrufe, und die sagen mir sehr freundlich, dass eine Mail an die Kulturredaktion der sicherste Weg ist. Ich werde nicht ausgelacht. Das ist was wert.
22. Januar 2018, WDR3, Mosaik, 7.15 Uhr und nicht mehr als die Überschrift dieses Artikels. Eine freundliche Person antwortet mir und hofft, mir geholfen zu haben. Mag sein, dass das alles floskelhaft ist, aber sie haben mir geholfen. Und wie. Abgesehen davon werde ich in meinem Job nicht mit so viel Respekt behandelt. Kunden des Dienstleistunsgunternehmens Kirche werden ... ach, vielleicht doch. Vielleicht steh nur ich dauernd im Weg rum. Dann muss man mich natürlich herumschubsen.
Da hat der Papst doch tatsächlich um Entschuldigung gebeten. Er hatte bei einer Pressekonferenz eine Frage nach der Vertuschung von sexuellem Mißbrauch in Chile mit dem Satz abgebürstet, es gäbe keine Beweise. Nun bittet er um Entschuldigung mit dem Hinweis, man dürfe eine Anzeige sexuellen Mißbrauchs nicht in Frage stellen. Das sei furchtbar. Pater Klaus Mertes schreibt dies in der aktuellen Ausgabe Der Zeit. Es ist erstaunlich. Bis zu diesem Artikel hatte ich bereits allerhand Dämliches zu diesem Vorfall hören müssen. Darunter dies: Die Presse verwurstet die Kirche und springt mit dem Papst respektlos um. Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge. In diesem Fall ist Pater Mertes der bestmögliche Zeuge, denn er selbst musste Mißbrauchsfälle aufarbeiten. Seine Entscheidung, dies transparent zu tun, hat unserer Kirche geholfen, Verfahren für Aufarbeitung und Aufklärung zu erarbeiten.
Jemand muss den ersten Schritt tun. Das macht es anderen leichter. Aber Sinn macht das nicht, wenn es nur ein erster Schritt ist und Ende. Ein erster Schritt ist nur dann ein erster Schritt, wenn es viele folgende Schritte gibt. -> Veränderung
Jemand muss der Floskel ein Gesicht geben. Man darf sie nicht verlachen. Sie ist vielleicht wirklich schön. Warum solll man sie nicht nehmen, wenn sie das ausdrückt, was man sagen will? -> Tradition
Jemand muss ernst machen. Dieses Gerede vom christlichen Abendland sagt sich so leicht. Und "ohne Geld geht gar nichts". Dieses wertlose Geschwafel lullt uns allesamt ein. Aber es gibt welche, die machen bereits Ernst mit dem Christensein. -> Leben
Mithu Sanyal hatte im WDR in der Sendung Mosaik Nina Reines Theaterstück "Konsens", das derzeit im Düsseldorfer Schauspielhaus auf dem Programm steht, rezensiert. Das war gut anzuhören. Ich mit Geschirrtuch und Besteck, die Worte wie eine sanfte Brise. Es geht um Grenzverletzungen. Das Stück ist furchtbar aktuell. Mag sein, dass der Zuschauende im Theater auf Vergewaltigung gestoßen wird. Es ist furchtbar. Keine sanfte Brise mehr. Mich erinnern diese Texte, die ich da höre, an andere Grenzverletzungen. Die verwüsten meine Lebensfreude. Jeden Moment kann ein Anruf kommen. Oder ich öffne mein Mailfach und muss da wieder was lesen, hanebüchen, jemand, der sich keine Mühe gibt oder enfach ein Opfer sucht.
Da sagt Mithu Sanyal, dass es keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen geben kann. Ich sehe das genau so. Ich bin nicht hier, um die Welt zu retten. Wirklich. Ich weiß keineswegs alles besser. Aber ich möchte der Debatte etwas beifügen, das sie erweitert. Darum verstehe ich das so gut, was Mithu Sanyal sagt. Meine Meinung ist das, was ich denke. Sie ist es wert, geäußert zu werden. Die Meinungen meiner Mitmenschen interessieren mich genau so. Wie kommt es nur, dass wir immer wieder in Debattenfallen latschen, in denen nur noch Schwarz und Weiß zählt?
Es geht doch gar nicht mehr darum, wer Recht hat, sondern wie wir einander verstehen und in unserer ungeheuren, unbegreiflichen Vielfalt miteinander leben können.
Dies schreibe ich, um der Debatte etwas hinzuzufügen. Das darf nicht ungesagt bleiben. Und alles andere soll auch noch gesagt werden. Und dafür, dass jemand seine Meinung sagt, soll niemand was aufs Maul kriegen. Nur der Rechthaber, der kann gerne nach Hause gehen und erstmal was Ordentliches essen und trinken und jemanden finden, der ihn lieb hat. Kein Witz. Konsens braucht niemand. Bleibt mir weg mit FriedeFreudeEierbrei. Ich werde nicht gegen dich kämpfen, wenn du was gegen mich hast. Du sollst leben. Wir brauchen die Debatte um Vielfalt und Geschlechtergerechtigkeit und all die wunderbar aufregenden Dinge, die uns täglich aufwachen lassen. Sonst würden wir ja liegen bleiben. Konsens ist was Gefährliches. Darauf kann man sich nicht ausruhen, sonst heißt es eines Tages wieder, dass wir doch alle einverstanden gewesen wären.
Und jetzt laßt mich in Ruhe.
-----------------------
Zum Weiterlesen: