Man macht mich verantwortlich. Die Neujahrsgrüße des Bischofs müssten eigentlich in gedruckter Form hinten in allen Kirchen unserer Pfarrei ausliegen, aber das ist nicht der Fall. Der Überbringer der Nachricht ist der Täter und gehört geköpft. Warum kann ich nicht einfach die Klappe halten? Warum muss ich unbedingt erzählen, dass es Broschüren gibt von diesem beeindruckenden Bischofswort? In einer unserer Kirchen wurde es von dem verantwortlichen Priester so vorgelesen, dass es in seinen Duktus passt. Die gedruckten Expemplare waren nicht da, sonst hätte man was zum Vergleichen gehabt. In einer anderen Kirche wurde es so langweilig vorgelesen, dass alle es zu lang fanden. In einer weiteren Kirche wurde es anständig und aktivierend verlesen, leider waren die gedruckten Exemplare nicht da. Und so weiter und so fort.
Wen auch immer sie fragen, ob man noch an das Neujahrswort des Bischofs kommt, sie bekommen immer eine voraussehbare Antwort:
- Keine Ahnung, wo man die bekommt.
- Ich bin nicht verantwortlich.
- Wieso? Liegen hinten keine mehr?
Ich gehe sowieso allen Gremienmitgliedern mit meiner penetranten Art auf die Nerven. Aber unser Bischof hatte nunmal ganz deutlich gegen Machtmissbrauch geredet. Also muss ich die missliche Lage der unerreichbaren gedruckten Broschüren ansprechen. Böse Blicke. Was soll 's.
Eine Frau kommt auf dem Kirchplatz auf mich zugerauscht. Ob ich ihr so ein Bischofswort aus dem Internet ausdrucken könnte. Sie erklärt ausführlich, wem sie alles von dem Bischofswort erzählt hat und wer alles und warum so eines braucht. Sie erzählt, dass sie privat (das ist das Wort, das sie gebrauchte) mit ihrer Familie und Freunden darüber spricht. Sie hat Kontakt zu Menschen in einem anderem Bistum, in dem diese Menschen gehört haben, dass sie sich mehr anstrengen müssen und dass die Kirchen nur erhalten bleiben, wenn alle sich Mühe geben. Das sei etwas ganz anderes, sagt die Frau, als unser Bischof uns sagt. Darum säßen sie beieinander und reden darüber. Privat.
Der Geist weht Gott sei Dank wo er will.
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Ein Neujahrsgruß ist ein Wort von Gewicht, wenn es länger in den Köpfen der Menschen bleibt als bis zum Leeren des Sektglases. Bischof Dr. Overbeck hat in seinem Bischofswort einige Fässer markiert, die ernsthat in diesem Jahr angestochen werden. Der Presseartikel zum Thema Homosexualität läßt darauf schließen. Der ist nur ein Merkmal. Alles andere kommt ja noch. Work In Progress. Hörende, die zu Tätern werden, weil sie sich ermutigt fühlen. Hörende, die nicht zuerst danach fragen, ob der Pastor es denn richtig finden wird, sondern dem Klang der Botschaft in ihren eigenen Herzen nachgehen und nicht anders können, als darüber zu sprechen. Gott sei Dank.
Und wer hat nun Schuld, dass die Broschüren nicht in die Kirchen verteilt waren? Die Gesellschaft? Das System? blahblahblah Während die einen ihren Sitzungskatholizismus pflegen, gehen die anderen ganz privat zur Sache und fühlen sich nicht exkommuniziert. Die einen betrauern einen morschen Kahn, die anderen bauen ein seetüchtiges Boot. Die einen machen alles richtig und nie irgendwelche Fehler, weil sie immer rechtzeitig die Schuldigen finden. Die anderen verstehen das Problem nicht, zucken mit den Schultern und wenden sich wieder dem eigentlichen Thema zu.