In den 80igern hatten wir Gemeindereferentinnen im Bistum Essen in der Regel einen Mentor, der selber Geistlicher war. Der meinige hatte 2 Grundhaltungen für unsere gemeinsame Wirkmächtigkeit der Pastoral:
1. Damals und Heute: alles gleich
Er pflegte darauf hinzuweisen, dass in seinen beruflichen Anfängen sein Pfarrer ausgesprochen rüde mit ihm umging. So trafen sie sich zu Hausbesuchen, um je von einem Ende der Straße zu beginnen. Sie trafen sich im 1. Haus, das sein Pfarrer zu besuchen hatte, der vergnügt bei Kaffee und Kuchen (und Schnaps) saß, während mein Mentor die gesamte Straße abgegrast hatte.
Der Gipfel der Ungerechtigkeit bestand allerdings in der Aufsässigkeit der Kapläne, die nun ihm als gestandenem Pfarrer auf der Nase rumtanzten, statt, wie es doch hätte sein müssen, in Respekt vor seiner Würde allen Anweisungen Folge leisten sollten ohne Widerspruch.
Heute kann ich diese Beobachtung prinzipiell bestätigen. Denn in meinen beruflichen Anfängen besuchten wir jungen Hüpfer Fortbildungen und engagierten uns wie wild, während die Altvorderen im Weg standen und alles besser wussten. Dementsprechend gebärden sich die jungen Berufskollegen und -kolleginnen ziemlich altklug und hochnäsig, sind zu keinen Kompromissen bereit und meinen, mit ihnen begänne die neue Zeit.
2. Das Volk ist nicht mehr homogen
Mein Mentor ließ sich gerne über die Zeiten als Krankenhausseelsorger aus, in denen er mit einer Hostienschale auf den Stationen auftauchte, der berockte Messdiener eifrig bimmelte und nun die Kommunionausteilung von Bett zu Bett beginnen konnte. Das waren noch Zeiten. Wenn er zum Ende seiner Laufbahn in die Klinik gerufen wurde, musste er erst mit dem Kommunikanten klären, welcher Religion er angehört und wie er es gerne hätte (Mundkommunion? Hatte er bereits gebetet? Erwartet er eine Katechese? Was ist mit den Bettnachbarn?).
Das nicht mehr homogene Volk ist individualistisch. Dabei darf es das gar nicht. Die Deutungshoheit für den Glauben liegt beim Priester. (Ich zitiere ja bloß.)
Wenn heute ein Priester in der Heiligen Messe predigt, kann er sich nicht sicher sein, ob er verstanden wird. Die da vor ihm sitzen, sind gelangweilt, schalten auf Durchzug oder haben eine Art geistliche Bingotafel im Sinn, die er abarbeiten muss, wenn er bestehen will.
Wie geht 's weiter ?
Culture eats strategy for breakfast
Peter Drucker
Mit Gottvertrauen geht es weiter. Unabhängig von allen Themen werden diese beiden Aspekte bis in alle Ewigkeit bleiben:
1. Wir werden am Ende unserer beruflichen Laufbahn genau das erfahren, was uns bereits zu Beginn widerfuhr.
2. Erst arbeiten wir uns in die Materie ein, dann stellen wir fest, dass unsere Fähig- und Fertigkeiten nicht mehr taugen (was auch egal ist, weil wir dann ja am Ende unserer beruflichen Laufbahn sein werden).
Aber es wird auch immer so sein, dass Menschen nachwachsen. Die Welt ist voll engagierter junger Menschen. Sie haben Ideen und sehen alles aus ihrer Perspektive, mit ihren Erfahrungen und mit dem, was wir Älteren ihnen bieten. Sie sehen Dinge, die wir nicht sehen. Es geht immer weiter. Ein bisschen von dem fiesen Druck, der auf uns allen lastet, können wir nehmen. Gemeinsame Pläne bringen Klarheit in objektiv beschriebene Abläufe, die von Subjekten mit Leben gefüllt werden. Ich frage mich, wem ich vertrauen kann. Denn ich weiß nicht alles und kann darum wichtige Entscheidung in meinem Leben und in meinem Beruf nur mit Hilfe anderer Menschen treffen. Zumindest mein Christsein ist eine feste Größe. Alles andere ist offen und verhandelbar. Gewachsene Strukturen und Beziehungen wollen gepflegt werden oder gehören gekappt. Wer kann das entscheiden? Noch fragen wir so. Mir wäre es lieber, wir könnten gemeinsam entscheiden. Aber dazu bedarf es natürlich einer Struktur (die wiederum mit Kultur belebt wird und nie 1:1 umgesetzt werden kann).
Es ist kurz vor Pfingsten.