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Es müsste ein Wohnen geben, das ein Leben ist. Und so müsste auch Kirche sein.

Wir haben einen Pastor, der ist musikalisch. Wenn er sich unbeobachtet fühlt, improvisiert er über Themen aus Klassik und Jazz bis der Arzt kommt. Aber weil die Dinge sind wie sie sind, wird er im Alltag aufgerieben. Taufe, Berrdigung, Hochzeit, Heilige Messe, Geburtstagsbesuch, eine Sitzung nach der anderen. Es ist nicht jedem gegeben, für seine Lebensentwürfe zu kämpfen. Und so weiß seine Gemeinde nicht, dass Gottesdienste auch ganz anders aussehen könnten.

Wir haben im Bistum Essen sogar eine Abteilung, die sich mit dem Umwidmen von nicht mehr gebrauchten Kirchen befasst. Wer zupackend unterwegs ist, kann aus seiner Kirche was machen. Es gibt schon richtig schöne Beispiele von Umbauten, die eine Weiterentwicklung sind.

Als wir noch aus dem Vollen schöpfen konnten, sah es so aus, als bräuchten wir uns nicht zu kümmern. Darum kann man manche Gebäude ohne Bedauern abreißen. Sie sind marode. Nur die Gemeindemitglieder, denen das Lebendige im Gottesdienst abgeht, sehen im Stadtteil die Kirche schwinden. Wir sind wie paralysiert in unseren Gemeinden. Es werden Fördervereine gegründet, aber es findet kein Diskurs statt.

Es müsste neue Wohnformen geben, die die Durchlässigkeit von Leben und Glauben möglich machen. Und es müsste klar sein, dass beruflich Tätige in der Kirche auch Glaubende sind wie alle anderen in den Gemeinden. Wenn das so wäre, wäre auch klar, dass die gesamte Bandbreite unserer Kultur mit unserer Kirche nicht nur in Berührung kommen muss. Wir müssen nicht "zu den Menschen gehen", weil wir die Menschen sind. Alles andere ist bullshit.

Und jetzt. Musik!

 

 

Strohhalme, Informationsoverload und die Wahrheit

Aber eigentlich geht es hier darum, dass wir in der katholischen Kirche das Mitgefühl verlernen, weil wir das Veröffentlichen von Daten nicht auf die Reihe bekommen. In meinen beruflichen Anfängen konnten wir Aushänge im Schaukasten machen, wenn jemand gestorben war oder zwei heiraten wollten. Von Anfang an redeten wir nur darüber, ob wir das dürfen oder nicht. Wir sprachen nicht über die Menschen, mit denen wir es zu tun hatten, die wir kannten oder nicht kannten. Nur die Insider, die gaben einander Informationen über Krankenhausaufenthalte, Bedürftigkeiten und heiße Tipps.

So nahm alles seinen Lauf. Heute wissen wir nicht, wie wir mit der DSGVO anders umgehen können, als es für eine Einschränkung unserer Kreativität zu halten. In den zur Verfügung gestellten Generatoren werden Datenschutzerklärungen erstellt, die so oft das Wort Google enthalten, dass es schon zum Lachen ist. Wir sind das älteste Netzwerk der Menschheit, aber haben das vernetzen verlernt. In unseren Kreisen ist die Meinungsbildung kein Teil der Kultur. Teil der Kultur ist das Zurechtkommen mit dem, was "von oben" kommt (wobei der Bischof gemeint ist).

Viele Informationen, vieles, was man entscheiden müsste. Wir müssten mehr miteinander reden, aber nicht, um alles im Griff zu behalten, sondern um voneinander zu lernen.

Open Data und Privatsphäre

Open Data ist ein Begriff. Damit bezeichnet man die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Daten durch die Öffentlichkeit. Beispielsweise werden Daten, die im Besitz der Stadt Wuppertal sind, öffentlich zugänglich gemacht. Es geht dabei nicht mehr nur um Öffnungszeiten, Telefonnummern und Adressen. Alles, was von öffentlichem Interesse ist, wird gepflegt, präsentiert und kann genutzt werden. Das motiviert Bürger und Bürgerinnen zum Mittun. Sie sind nicht nur Teil ihrer Stadt, sondern betrachten das Ganze als ihr Eigentum (nicht als Besitz, den sie verkaufen könnten, sondern als Wert).

Macht euch die Erde untertan

- Genesis 1 und 2

Die Stadt ist nicht Sache der Stadt als eines unpersönlichen Gebildes. Die Stadt, das sind wir.

Es werden nicht Namen, Adressen und Sonstiges der Bürger und Bürgerinnen veröffentlicht. Das ist Privatsphäre. Die Privatsphäre wird geschützt. Was offen sein kann, wird geöffnet und allen zugänglich gemacht.

Kirche

Wuppertal soll ein Bild sein für das, was Kirche sein könnte. Stellen Sie sich vor, mit der Kirche wäre es genau so. Alle Daten wären öffentlich zugänglich, solange sie nicht mit Privatsphäre verknüpft wären. Man müsste nicht danach suchen. Die Daten wären so aufbereitet, dass man sie lesen und nutzen kann. Niemand würde behaupten, es wäre alles öffentlich, solange es nicht auch leicht zu finden ist und nutzbar ist.

Wie viele Gebäude haben wir?

Wie umfangreich ist der Haushalt und wer ist für ihn verantwortlich?

Wie wird entschieden, wer was bekommt?

Wer hat Zugang zu den Sakramenten?

...

Zu Open Data und Privatsphäre kommt noch :

Transparenz

Gut wäre es , wenn Vorgänge transparent wären. Wer spricht mit wem? Wie werden Entscheidungen getroffen? ... Und das alles ohne Rückgriff auf Totschlagargumente. Das Anliegen eines Mitmenschen würde ernst genommen. Man würde ihm nicht mit Paragraphen oder Bibelstellen kommen, sondern zuhören, verstehen lernen und aus dem Dialog die notwendigen Antworten finden. Das wäre möglich, weil jeder Mensch neu Lust bekommen, sich in einen Dialog mit seiner Kirche zu begeben. Denn es wäre möglich, die richtigen Telefonnummern und E-Mail-Adressen zu finden. Man stünde nicht mehr vor verschlossenen Türen, weil es kein Herrschaftswissen mehr gäbe. Alles wäre getränkt von dem Willen, zu leben wie Jesus. Damit das gelingen kann, müssen alle Menschen sich beteiligen - oder doch zumindest eine Menge Menschen. Die Verwaltung muss Wege bereitstellen. Anders geht es nicht. Denn sie hat die Macht. Es reicht nicht, Prozeduren einzurichten und öffentlich zu machen. Es müssen diese Prozeduren auch genutzt werden können. Wenn es so wäre, könnte niemand mehr herrschen, indem er teilt.

Die Verantwortung ...

... liegt bei den Mächtigen. Natürlich ist alles im Internet und sonstwo vorhanden, aber die Informationsflut macht einen bekloppt. Man wird hin und her gezerrt von sich widersprechenden Meldungen. "Ist der Bischof von Essen jetzt progressiv oder konservativ?" Diese Frage könnte man getrost der Privatsphäre überlassen, wenn man sich nicht übergangen fühlte. Noch ist nicht transparent, wo welche Informationen langfließen. Noch ist nicht gewährleistet, dass Informationen da ankommen, wo sie hinsollen. Was muss ich wissen? Was kann weg? Jeder einzelne Mensch kann in Wuppertal und in der Kirche Verantwortung übernehmen, wenn es möglich gemacht wird.

Strohhalme und die DSGVO

Lobbyarbeit sorgt allerorten für Verwirrung. Lobbyarbeit hat Ziele vor Augen und Macht im Sinn. Ihr haben wir es zu verdanken, dass die DSGVO mehr Verwirrung anrichtet, als sie es ohnehin schon getan hätte. Aber die DSGVO ist nicht verabschiedet worden, weil die Menschheit unterjocht werden soll, sondern weil die Macht von Facebook, Google, Amazon und einigen anderen bedrohlich wird. Die Privatsphäre muss geschützt werden. Fakemedlungen verbreiten Angst vor der DSGVO. Da hilft nur informieren.

Die EU will Plastikzeug verbieten. Es geht um Einweggeschirr. Im Grunde geht es um die Rettung des Planeten, weil die Weltmeere voll sind von dem Zeug. Verwirrung stiftet diese Meldung in der Behindertenszene, weil mancher Mensch dank dieser Strohhalme gut trinken kann. Alles andere wäre unschön. Schnabeltassen sind kein Ersatz. Der Aufschrei ist nicht halb so gut zu vernehmen wie der mit der DSGVO. Aber er ist da. Wenn nun Meinungsbildung und Verantwortung Teil unserer Kultur wären, würden Betroffene schlicht Kontakt mit verantwortlichen Stellen aufnehmen und ihr Anliegen mitteilen. Man würde im Dialog die Antwort auf das Problem finden. Fertig. Und jetzt wissen Sie auch, wie die Strohhalme in die Überschrift gekommen sind.

 


 

Account gelöscht

Bevor ich meine Fotos zusenden lassen konnte, war das Konto schon gelöscht. Weg die Daten, weg die Fotos. Kein Bedauern. Seit 2017 lösche ich einen Account nach dem anderen. Auch das Wegwerfen, Entsorgen oder Verschenken meiner Sachen macht Freude. Brauch ich das? Kann das weg? Ja, und Kunst mach ich jetzt auch wieder ganz gerne. Kunst tut gut. Was wirklich Mühe macht, ist das Vermitteln von Werten. Selbst im Christlichen Kontext setzen wir lieber auf Macht "Da müssen überall Kreuze hin." als auf Nächstenliebe "Herzlich willkommen." Ich kann es nicht erklären. Aber ertragen kann ich es auch nicht mehr, darum muss sich mein Leben ändern. Teilen. Das müsste doch gehen. Ganz seltsam ist die Erkenntnis, dass Geld nichts wert ist. Verstanden habe ich es schon, aber leben kann ich es noch nicht so recht. Werfe ich das Geld aus dem Fenster? Gebe ich es aus? Spende ich es? Spare ich es? Es ist wie mit meinen Sachen, die auch nicht so leicht loszuwerden sind. Zu wenig Geld, um eine Haus zu kaufen, zu viel Geld, um keine Verantwortung zu haben.

Papiertüte auf Holzbank. Aufschrift: There are so many beautiful reasons to be happy.

Photo by Brigitte Tohm on Unsplash

Account gelöscht. "Schade, dass du gehst." So was höre ich im nicht-digitalen Leben selten. Es ist schon ziemlich geschickt formuliert. Aber die böse, böse DSGVO macht mir Beine. Mir ist klar, was ich weiß und was ich kann und dass noch viel zu lernen bleibt. Weniger Zeit mit Accounts verbringen, mehr Zeit mit Mensch und Natur und Gott (sowieso). Und wenn die Accounts zu Kommunikation verhelfen, werden sie auch nur dann gelöscht, wenn es zu viele und zu heftige Verstöße gegen Menschenrechte und Freiheit gibt (DSGVO). Dezentrale Netzwerke - darüber will ich mehr lernen. Transparenz und Persönlichkeitsrechte gehören zusammen. Transparent müssen die technischen Vorgänge und die Verwaltung sein, Persönlichkeitsrechte müssen geschützt werden. Mich begeistert, wie viele Menschen sich tatsächlich mit solchen Themen befassen. Einfach so. Weil sie es wollen und können. Alles was mit Crowd anfängt, mag ich sehr. Mit Crowdfunding habe ich schlechte Erfahrungen gemacht, aber das habe ich trotzdem nicht aufgegeben. Crowdworking finde ich 1 A und eine perfekte Möglichkeit, die Wege über die eigenen Möglichkeiten hinaus zu erweitern, zu lernen und eine Kultur für die Zukunft zu entwickeln. Ich hoffe auf mehr KI in der Pastoral, die uns Arbeiten abnimmt, die uns derzeit an Seelsorge hindern.

Den Account Nummer 43 habe ich seit Beginn einer wichtigen Entscheidung gelöscht.

 

hmmm - Für eine Handvoll Pfifferlinge ...

Frohe Ostern allerseits.

Nachdem ich feststellen musste, dass elementary OS keine Easter Eggs versteckt (hmpf; aber ohne den heißen Tipp von Peter hätte ich nicht mal gewusst, was ich in der Konsole einzugeben habe = wo ich wie zu suchen habe), kann es jetzt mit ernsthafteren Dingen weitergehen. Zum Beispiel kochen. Hildegard muss meine Tarte-KreationenVersuche probieren. Die Letzte hatten einen hervorragend knusprigen Boden. Aber, ehrlich gesagt, musste ich ihrer Höflichkeit auf die Sprünge helfen: geschmacksneutral.

Dieses Ostern. Um es mir von der Seele zu schreiben, habe ich mir eine Subdomain eingerichtet. Es steht eben nicht alles im Internet. Da ich in der Regel für die Öffentlichkeit schreibe und mittlerweile kaum noch abseits der Tastatur, musste ich mir eine Schublade (Sie verstehen: eine Subdomain) einrichten, die ein wenig versteckt ist. Manches sehen wir nicht mal auf den zweiten Blick. Auch der Hausvater, der sich auf die Suche nach Pfifferlingen macht, wird hinterher nicht erzählen, was für die Handvoll Pfifferlinge alles passiert ist. Sehr liebevoll nimmt die Familie ihn in ihre Reihen. Wir sollten überhaupt weniger reden, mehr leben (was widerum manch einer meiner Twitterfreunde für zu einfach hält und lieber ausführlich in 240-Zeichen-Dispute ausbricht, die man dann als Thread nachlesen kann).

 

Lassen Sie uns den Paternalismus abschaffen

Das Wort Paternalismus ist mir in den letzten Jahren vermehrt durch Mitarbeitende in der Behindertenhiilfe zu Ohren gekommen, die in Weiterbildungen davon erfahren haben. In diesem Artikel soll es um Paternalismus in der katholischen Kirche gehen. Man sollte meinen, er gehöre dahin. Aber das widerspricht der Taufberufung.

Jedes Wochenende das Kneipperlebnis geistlicher Art. Ein Guß von stockkonservativ und mitnichten am Dialog interessiert und ein weiterer Guß von weltbewegt und den Armen zugewandten Experten des Christentums. In unserer Pfarrei gibt es mehr Gemeinden als Priester im Amt, also reisen ein Student, 3 Pensionierte, ein Pfarrer und ein Pastor umher. Jede Gemeinde hört am Sonntag eine Predigt, die von persönlichen Erfahrungen geprägt ist. Ein Diskurs findet nicht statt.

Der Laie, der die Situation in seinem Sinne ausnutzt

Wir haben vor Ort einen Priester, der an Gott so sehr glaubt und auf Gott vertraut, dass er Konzepte für überflüssig hält. Es gibt einen runden Tisch, an dem Aktive der Gemeinde Dinge beraten wie das Pfarrfest und die Fronleichmansprozession. Wenn man auf kurzem Weg was erreichen will, geht man einfach zum Pastor. Er sagt immer ja. So fand ich am vergangenen Sonntag Flugblätter von Kirche in Not, in denen die Anerkennung von Meðugorje angekündigt wird, nebst einem Flyer, der die Abläufe vor der Kirche in Meðugorje erklärt und Bilder der Menschen zeigt, die die Erscheinungen gesehen haben. Die Faltblätter werden so wenig mitgenommen wie andere Faltblätter. Ein bisschen sauer wurde ich schon, als ich kleine Medaillen für Kinder sah. Sie sind in einer Plastikhülle, in der sich ein kleiner Zettel befindet, mit dem die Kinder zu einem bestimmten Verhalten aufgefordert werden. Auf der anderen Seite des Zettels ist ein Zitat der Marienerscheinung, die sagt, wird würden vor Glück weinen, wenn wir wüssten, was sie alles für uns tun kann.

Im Grunde habe ich nichts dagegen, dass jeder Mensch den Weg zu Gott sucht und findet, der angemessen und zielführend ist. Aber ich habe etwas dagegen, wenn man anderen Menschen sagt, was sie zu tun haben.

Wer das Mikro hat, hat die Macht

Jeder Priester, der in unserer Gemeinde zelebriert, tut das so, wie es ihm richtig erscheint. Am vergangenen Sonntag sagte ein Priester in seiner Predigt, die Kirche stünde auf drei Säulen: Martyria, Eucharistia und Diakonia. Genau da liegt das Problem: Wir focussieren unsere Gottesdienste auf die Eucharistiefeier. Alles andere ist zweitrangig. Der Predigende berichtete von seiner aktuellen Lektüre: einem dreibändigen Werk von Eugen Drewermann, der im liberalen Kapitalismus das Übel unserer Zeit sehe. Selbstredend gab es anschließend verhaltenen Applaus, denn wir haben schon ganz andere Predigten gehört und waren dankbar, dass es so glimpflich abging.

Im Grunde ist nichts dagegen zu sagen, dass einer von dem redet, was ihn bewegt. Aber es ist nicht hilfreich, wenn der Priester der väterliche Leiter des Ganzen bleibt, der immer Recht hat und die Anliegen der Gemeindemitglieder vor lauter Arbeit nicht mehr im Sinn haben kann. Außerdem wird es Zeit, dass wir Wege finden, auf offensichtliche Fehler in dem, was Paternatilsten verkünden, aufmerksam zu machen. Noch besser wäre ein prozessorientierter Diskurs.

Taufberufung und Gremien der Zusammenarbeit

Zu Beginn der Pfarrgemeinderäte in Deutschland waren diese laut Satzung reine Beratungsgremien für den Pfarrer. Seit jener Zeit verlief die Entwicklung unertschiedlich. Die eine Gemeinde wurde von ihrem Pfarrer an der kurzen Leine gehalten, indem Geld für alles Wichtige da war und über Zusammenhänge (Entscheidungswege, Verantwortlichkeiten, Mitwirkungsmöglichkeiten) nicht informiert wurde. Die andere Gemeinde machte ihr Ding und ließ den Pfarrer einen guten Mann sein, musste aber die Scherben ihrer Arbeit mit dem neuen Pfarrer einsammeln, weil der das Ganze anders interpretierte als sein Vorgänger.

Heute wird an manchen Orten wieder mehr über Taufberufung geredet. Es gibt keine höhere Würde als die der Taufberufung. Es gibt unterschiedliche Gnadengaben, die alle zum Aufbau der Kirche/Pfarrei/Gemeinde dienen.

 

An Introduction to Fresh Expressions of Church from The Diocese of St Albans on Vimeo.

In einer unserer Gemeinden wurde ein Tag der Gemeinde begangen. Kein Priester konnte daran teilnehmen. Trotzdem wurde an einem für alle Mitwirkenden wohltuenden Tag mit Gebet, gemeinsamen Zeiten und Workshops das Fehlen eines Pastors bedauert. Kein Wort über die anwesenden und mitwirkenden Laien im kirchlichen Dienst. Immerhin brachte der Arbeitskreis, der diesen Tag geplant und durchgeführt hatte, sich zur Sprache. Ich wünsche den nichtberuflich tätigen Laien ein starken Bewusstsein für ihre Taufberufung und den Wert ihrer Tuns. Und es ist mir ein Anliegen, dass das Reden über die Umstrukturierung unserer Kirche in Respekt und Nächstenliebe stattfindet. Gut, dass da bereits einige unterwegs sind, auf die man weisen kann, mit denen man sich vernetzen kann.

 

"Keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen, sondern die Debatte erweitern!"

WDR 5 beim Spülen. Mit halbem Ohr. Dann geht mir dieser Satz nicht mehr aus dem Sinn. Im Podcast finde ich ihn nicht. Es war wohl doch WDR 3. Finde den Satz nicht. Nicht mal an die Sendung kann ich mich mehr erinnern. Aber da gibt es diese Hotline, die ich zum ersten Mal in meinem Leben anrufe, und die sagen mir sehr freundlich, dass eine Mail an die Kulturredaktion der sicherste Weg ist. Ich werde nicht ausgelacht. Das ist was wert.

22. Januar 2018, WDR3, Mosaik, 7.15 Uhr und nicht mehr als die Überschrift dieses Artikels. Eine freundliche Person antwortet mir und hofft, mir geholfen zu haben. Mag sein, dass das alles floskelhaft ist, aber sie haben mir geholfen. Und wie. Abgesehen davon werde ich in meinem Job nicht mit so viel Respekt behandelt. Kunden des Dienstleistunsgunternehmens Kirche werden ... ach, vielleicht doch. Vielleicht steh nur ich dauernd im Weg rum. Dann muss man mich natürlich herumschubsen.

Da hat der Papst doch tatsächlich um Entschuldigung gebeten. Er hatte bei einer Pressekonferenz eine Frage nach der Vertuschung von sexuellem Mißbrauch in Chile mit dem Satz abgebürstet, es gäbe keine Beweise. Nun bittet er um Entschuldigung mit dem Hinweis, man dürfe eine Anzeige sexuellen Mißbrauchs nicht in Frage stellen. Das sei furchtbar. Pater Klaus Mertes schreibt dies in der aktuellen Ausgabe Der Zeit. Es ist erstaunlich. Bis zu diesem Artikel hatte ich bereits allerhand Dämliches zu diesem Vorfall hören müssen. Darunter dies: Die Presse verwurstet die Kirche und springt mit dem Papst respektlos um. Einfache Antworten auf komplexe Zusammenhänge. In diesem Fall ist Pater Mertes der bestmögliche Zeuge, denn er selbst musste Mißbrauchsfälle aufarbeiten. Seine Entscheidung, dies transparent zu tun, hat unserer Kirche geholfen, Verfahren für Aufarbeitung und Aufklärung zu erarbeiten.

Jemand muss den ersten Schritt tun. Das macht es anderen leichter. Aber Sinn macht das nicht, wenn es nur ein erster Schritt ist und Ende. Ein erster Schritt ist nur dann ein erster Schritt, wenn es viele folgende Schritte gibt. -> Veränderung

Jemand muss der Floskel ein Gesicht geben. Man darf sie nicht verlachen. Sie ist vielleicht wirklich schön. Warum solll man sie nicht nehmen, wenn sie das ausdrückt, was man sagen will? -> Tradition

Jemand muss ernst machen. Dieses Gerede vom christlichen Abendland sagt sich so leicht. Und "ohne Geld geht gar nichts". Dieses wertlose Geschwafel lullt uns allesamt ein. Aber es gibt welche, die machen bereits Ernst mit dem Christensein. -> Leben

Mithu Sanyal hatte im WDR in der Sendung Mosaik Nina Reines Theaterstück "Konsens", das derzeit im Düsseldorfer Schauspielhaus auf dem Programm steht, rezensiert. Das war gut anzuhören. Ich mit Geschirrtuch und Besteck, die Worte wie eine sanfte Brise. Es geht um Grenzverletzungen. Das Stück ist furchtbar aktuell. Mag sein, dass der Zuschauende im Theater auf Vergewaltigung gestoßen wird. Es ist furchtbar. Keine sanfte Brise mehr. Mich erinnern diese Texte, die ich da höre, an andere Grenzverletzungen. Die verwüsten meine Lebensfreude. Jeden Moment kann ein Anruf kommen. Oder ich öffne mein Mailfach und muss da wieder was lesen, hanebüchen, jemand, der sich keine Mühe gibt oder enfach ein Opfer sucht.

Da sagt Mithu Sanyal, dass es keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen geben kann. Ich sehe das genau so. Ich bin nicht hier, um die Welt zu retten. Wirklich. Ich weiß keineswegs alles besser. Aber ich möchte der Debatte etwas beifügen, das sie erweitert. Darum verstehe ich das so gut, was Mithu Sanyal sagt. Meine Meinung ist das, was ich denke. Sie ist es wert, geäußert zu werden. Die Meinungen meiner Mitmenschen interessieren mich genau so. Wie kommt es nur, dass wir immer wieder in Debattenfallen latschen, in denen nur noch Schwarz und Weiß zählt?

Es geht doch gar nicht mehr darum, wer Recht hat, sondern wie wir einander verstehen und in unserer ungeheuren, unbegreiflichen Vielfalt miteinander leben können.

Dies schreibe ich, um der Debatte etwas hinzuzufügen. Das darf nicht ungesagt bleiben. Und alles andere soll auch noch gesagt werden. Und dafür, dass jemand seine Meinung sagt, soll niemand was aufs Maul kriegen. Nur der Rechthaber, der kann gerne nach Hause gehen und erstmal was Ordentliches essen und trinken und jemanden finden, der ihn lieb hat. Kein Witz. Konsens braucht niemand. Bleibt mir weg mit FriedeFreudeEierbrei. Ich werde nicht gegen dich kämpfen, wenn du was gegen mich hast. Du sollst leben. Wir brauchen die Debatte um Vielfalt und Geschlechtergerechtigkeit und all die wunderbar aufregenden Dinge, die uns täglich aufwachen lassen. Sonst würden wir ja liegen bleiben. Konsens ist was Gefährliches. Darauf kann man sich nicht ausruhen, sonst heißt es eines Tages wieder, dass wir doch alle einverstanden gewesen wären.

Und jetzt laßt mich in Ruhe.

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Zum Weiterlesen:

http://www.zeit.de/2012/47/Pater-Klaus-Mertes-Missbrauch-Kirche

https://www.dhaus.de/programm/a-z/konsens/

http://www.sanyal.de/

 

"Wir freuen uns viel zu wenig", sagt der Pastor

Am Sonntag war es mal wieder soweit: Die Heilige Messe mit vielen unterschiedlichen Menschen und einem Pastor, der auch nur ein Mensch ist. Es ist der, der viel redet, auch wenn er am Anfang der Predigt bekennt, dass er viel redet und diesmal ... aber das glaubt weder er noch wir.

Das erinnert mich an eine coole Aktion von gott.net.

Bild einer Skulptur des ernst dreinschauenden Martinluther auf einem 0,- € Schein.

Die Idee ist wirklich gut. Man kann anhand eines Geldscheines, eines wirklich original auf Geldscheinpapier gedruckten Luthereuro, über Gnade nachdenken. Gnade ist ein Geschenk. Wirklich. Die Idee ist gut. Sie entwickelt ein Eigenleben. Man kann etwas dafür bekommen, weil wir das Geldgeben und Geldnehmen gewohnt sind. Den Schein in der Hand zu fühlen, gibt dem Gehirn den Impuls, nach einem Gegenwert zu suchen. Man könnte diese Scheine auf einem Gemeindefest nutzen? Man könnte dafür ... .

Aber mir ist etwas aufgefallen auf dem Schein:

So viel Glauben du hast, so viel Lachen hast du.

Martin Luther

Und jetzt weiß ich auch nicht. Dieser Luther lacht bestimmt sehr versonnen in sich hinein. Wenn er soviel Glauben hat, wie diese Skulptur Lachen hat ... .

Die Aktion, wie gesagt, finde ich gut. Aber es ist mir ein Anliegen, auf die Verschleifung der Sprache in unserer Kirche hinzuweisen. Sonntag für Sonntag in unseren Heiligen Messen wird gepredigt und nicht jede Predigt rauscht über unsere Köpfe hinweg. Aber was passiert? Der  Knaller ist für mich, wenn nach der Messe gesagt wir, die Predigt sei gut gewesen, aber auf Nachfrage nichts über ihren Inhalt gesagt werden kann. Und dann erst die Lesungen! Gerne hört man beim Pfarrschoppen oder auf dem Kirchplatz den Satz:

Ist ja alles nicht so gemeint.

Doch. Es ist so gemeint. Wer weiß, was passieren würde, wenn wir das wieder begreifen könnten. Mich macht die Lesung des Sonntags unruhig. Ich möchte mit anderen darüber sprechen. Wir sind ein Glaubensnetzwerk und könnten einander helfen, das Wort Gottes zu verstehen. Das geht mir nicht aus dem Sinnn. Sprache. Ernsthaftigkeit. Liebe.

 

Mut ist eine sehr persönliche Sache - Weihnachtspost

Es wurde prophezeit, es käme einer, der nicht nach dem Hörensagen urteilt. Jesaja 11. Aber wir wissen es ja besser. Das Evangelium. Was heißt das schon? Ein Messias muss auch Macht haben und eine Armee, sonst kann er ja nicht die Welt erorbern. Ist ja klar.

Die ganze Weihnachtsgeschichte steckt voller Gegenbewegungen. Wer immer redaktionell daran gearbeitet hat, wusste viel über Journalismus und Öffentlichkeitsarbeit. Einer meiner Favoriten sind die Sterndeuter aus dem Morgenland, die später zu 3 heiligen Königen wurden, weil man die Knochen so schön als Reliquien vermarkten konnte. Aber das ist eine andere Geschichte.

Hingabe

Aus dem Nichts der Geschichte tauchen Menschen auf, die den Weg zum Messias gefunden haben, obwohl sie nichts von seiner Ankunft wissen können. Sie haben keine Ahnung von der Heiligen Schrift. Sie sind Sterndeuter. Glücklicherweise ist ihnen anschließend keiner wie Paulus über den Weg gelaufen, sonst ... . Ach, egal. Sie sind auf jeden Fall wieder verschwunden. Im Ernst: Es sind keine historischen Figuren. Die Exegeten sollen sich über den Sinn ihrer Anwesenheit in der Weihnachtsgeschichte äußern. Ich schreibe hier nur, was sie mir bedeuten.

Menschen, die gemeinsam nach dem Allerwichtigsten im Leben suchen.

Menschen sitzen nachts auf einem Zaun und schauen in den Sternenhimmel.

Photo by Greg Rakozy on Unsplash

Beobachten. Sich erzählen, was man wahrnimmt. Zeit haben. Alles teilen. Ich und die anderen.

Nicht fragen, ob es sich lohnt.

Warum sind die Sterne so schön?
Im Winter erkenne ich den Orion, im Sommer das Himmels-W.
Aber es sind viel zu viele Sterne. Je schöner der Himmel ist, um so weniger kann ich erkennen.
Wenn ich in den Sternenhimmel sehe, sehe ich in die Vergangenheit. Ich löse mich von der Schönheit des Anblicks und denke über das nach, was ich sehe, mache mir Notizen und suche nach Informationen.
Science Fiktion mag ich sehr. Abgesehen von der Wissenschaft ist das Spielen mit Ideen über die Zukunft wohltuend. Die Welt kann ganz anders aussehen. Wir können sie gestalten. Aber es gibt auch Vieles, worauf wir keinen Einfluß haben.

Warum sitze ich hier?

Sterndeuter wird man nicht, weil es der einträglichste Beruf ist. Als Jugendseelsorgerin habe ich erleben müssen wie aus Wilden Kerlen vernünftig denkende Menschen wurden, die ihren Beruf nach den besten Aussichten wählten. Sicherheit, Familie, Gesundheit. Da ist nichts gegen zu sagen.

Oder?

Die Sterndeuter stelle ich mir als begeisterte Menschen vor. Ich bin Gott dankbar, dass es möglich ist, Gott zu finden, auch wenn man nicht zum Insiderkreis gehört. Dieses Brennen für etwas, das ist doch ganz unvernünftig, aber es führt zum Messias. Wie kann es kommen, dass wertvolle Geschenke in einem Stall abgegeben werden? Wie kann es sein, dass die Sterndeuter den Messias im Stall erkennen? Das ist eine sehr kluge Geschichte. Die kann man kaputtromantisieren. Die kann man auch einfach auf sich wirken lassen. Otfried Preußler hat das getan und dann eine so schöne Weihnachtsgeschichte geschrieben: "Die Flucht nach Ägypten". Kaufempfehlung. Als Hörbuch besonders berührend, weil der Vorleser böhmisch spricht.

Die Sterndeuter sind aus der Nummer mit dem "satt, sauber, abgesichert" raus. Wie haben sie das geschaftt?

In diesem Jahr habe ich mich mit Agilem Arbeiten befasst. Der Begriff kommt wie Vieles in unserer Zeit aus dem Technikbereich und wird mittlerweile in der Sozialwirtschaft angewandt. Es heißt, was es sagt: Man auch arbeiten, ohne sich selbst dauernd runterzuziehen. Man kann Prozesse leichter gestalten. Es kann alles flüssiger laufen. Es geht. Menschen arbeiten bereits danach. Diese und verwandte Themen finden Sie in dieser Linkliste: https://tomsgedankenblog.wordpress.com/2017/12/18/linksderwoche-kw-51-2017-produktivitaet-projektman... Also habe ich probiert. Kollegen sagen: "Du arbeitest doch sowieso schon so." Ja, danke, nettes Kompliment. Aber das System, in dem ich stecke, funktioniert anders. Meine Erfahrungen will ich 2018 vertiefen. Ich will es besser machen. Es ist nichts so, dass ich es besser weiß. Ich weiß es ja noch gar nicht. Erst muss mal was ausprobiert werden. Immer wieder. Beobachten, kontrollieren, verbessern. Und dann muss mit genau so viel Ernst nach den besten Tageszeiten geguckt werden. Ohne Kollegen geht es nicht. Weglaufen werde ich nicht. Auch das gehört für mich zum agilen Arbeiten nach dem Vorbild der Sterndeuter dazu. Wir haben alle Zeit der Welt.

 

Henne oder Ei? Sie müssen sich entscheiden

Wo auch immer ich bin, das Leben stößt mich auf meinen Job im Bistum Essen, wo der Pfarreientwicklungsprozess auf Touren läuft. Der Pfarrer kündigt seinen Abschied an, die Gemeinden fürchten sich vor Kirchenschließungen, Messen sollen trotzdem stattfinden, ... kaum Zeit, Atem zu holen. Ich bin trotzdem ins Ballet gegangen.

Mitten im ersten Tei wendet sich der Dirigent aus dem Orchestergraben an das Publikum und bittet um Verständnis, dass die Vorstellung hier unterbrochen werden muss. Er erklärt, dass der Flügel, der ja auf der Bühne steht, nur per Lautsprecher auf seinem Dirigentenpult für ihn erreichbar sei. Aber da gäbe es ein technisches Problem, das erst einmal gelöst werden müsse.

Sie werden verstehen, dass mich das sofort an den Pfarreientwicklungsprozess und die Zukunftsbildprozesse erinnert.

Wenige Minuten später kommt der Dirigent auf die Bühne und erklärt, er wolle uns (dem Publikum) nur beste Qualität ermöglichen und darum müsse hier für 10 Minuten unterbrochen werden. Danach gehe es aber weiter. Wir applaudieren. Wir finden auch, dass wir die höchstmögliche Qualität erwarten dürfen. In der Einführung zu diesem Ballettabend hatte der Chefdramaturg Christian Beier zum Schluß zwei Prämissen für den Abend ausgegeben:

1. Sie müssen nicht alles verstehen.

2. Auch Emotionen verlangen Mündigkeit.

Nach 10 Minuten Pause erklärt der Dirigent, wie der Einstieg erfolgen soll. Wir hören nun die Musik zunächst ohne das Tanz-Ensemble. Das macht deutlich, dass hier zwei höchst wertvolle Kunstformen auf uns einprasseln. Denn wir hören Live-Musik. Es ist Musik, für die wir ins Konzert gegangen wären. Ich verstehe nun, warum ich unwillkürlich die Augen geschlossen habe. Es ist Ballett und Konzert. Wem gibt der Dirigent hier den Vorrang? Oder muss er Einem den Vorrang geben, um Beidem genügen zu können?

Für mich war es ein nachhaltig beeindruckender Abend. Es war die Musik und der Tanz, das Ballett, die Künstler und - als Zugabe - die Souveränität eines Dirigenten, der sich seiner Sache offensichtlich auch in der Krise sicher ist.

 

Der Tag, an dem wir begannen zu zweifeln

Der Erste an der Kirchentür war ein mir fremder Mann, von dem es später hieß, er sei schon beim Gemeindefest gewesen. Man sagte später auch, er sei schon als Kind ... seltsam gewesen.

Die Küsterin wurde von ihm mit Namen begrüßt. Er sprach mit sich selbst. In der noch dunklen Kirche saß er hinten und schimpfte über die immer weniger werdenden Messen und brabbelte unsinniges Zeug. Ich mischte mich in seine Selbstgespräche ein und erfuhr, dass er im Obdachlosenheim wohnt und alles verloren hat. Sein Schwiegervater würde bald kommen, sagte er, und nannte dessen Namen und ich dachte, dass dieser bekannte ältere Herr unserer Gemeinde darauf nicht gefaßt sein würde.

Das Eigentliche ist doch die Heilige Messe, zu der die Gemeinde sich am Sonntag versammelt. Ein plärrendes Kind und ein ausrastender Psychot sind Störungen. Die Störung müsste so nachhaltig sein, dass wir ins Nachdenken kämen. Da stimmt doch was nicht. Wenn alle Getauften, sagte der predigende Priester, am Sonntag in die Messe strömten, das wäre eine Welle, die alle mit sich risse. Wir sitzen da und hören die Predigt und gehen dann wieder. Da stimmt doch was nicht.

Unsere Küsterin kam aus der Spur. Sie fand Dieses und Jenes nicht mehr, musste immer wieder fragen, schaltete beim Beginn der Messe das wenige Licht aus statt alle Lichter an. Dann begrüßte der Priester die Gemeinde mit "Satans List, die uns zur Sünde führte ... ." Da rastete der mir fremde Mann in der letzten Reihe aus. Er beruhigte sich nicht wieder. Schließlich musste er hinaus geführt werden und wir konnten den Rest der Messe beinah ungestört hören.

Waiting For Godot Tragic Trailer Feb 2010 from Totally Theatre on Vimeo.

Der Mann schrie und tobte vor der Kirche. Einige von uns gingen hinaus, um mit ihm zu sprechen. Aber er kam kaum zur Ruhe. Er habe alles verloren, sagte er, und dass der Satan in der Kirche nichts zu suchen habe. Wir anderen sprachen mal mit ihm, mal miteinander. So erfuhr ich Einiges, das mir seltsam erschien. Ich fragte die anderen, ob nicht auch dieser Mann ein Mensch sei. Wir waren fassungs- und sprachlos. Und ich dachte, dass eine Gemeinde gut funktionieren kann, wenn die Menschen in ihr leben und sich bewegen und sich bewegen lassen. Die Einen wollen ihre Ruhe, die Anderen gestalten die Kultur der Gemeinde.

Am Ende der Messer las der Priester eine Verlautbarung der Personalabteilung des Bistums vor, aus der man verstehen konnte, dass unser Pfarrer die Gemeinde verlassen wird. Dass ihm eine Sabbatzeit gewährt wid, fand der die Verlautbarung verlesende Priester ausdrücklich gesundheitsförderlich für unseren Pfarrer. Aber auf dem Kirchplatz sprach man mehr über den einsetzenden Regen und den psychisch kranken Mann, von dem allerdings niemand sagte, er sei psychisch krank. Er hatte halt den Gottesdienst gestört. Und von den 25 Kommunonkindern waren nur 4 da gewesen.

Wir Angestellten der katholischen Kirche können mit Hilfe rechnen, wenn wir ratlos und ausgebrannt sind. Aber dieser Mann, der heute als Erster vor unserer Kirchentür stand, weiß nicht, wie das Leben funktioniert. Man habe ihm alles genommen, sagt er. Und die anderen sagen, dass er aggressiv wird und man schön öfter die Polzei habe rufen müssen und er dann in eine geschlossene Anstalt kommt.

Ich möchte nicht in einem Obdachlosenheim wohnen. Ich möchte auch nicht in einem Flüchtlingsheim wohnen. Ich habe einfach nur Glück gehabt (gut, ja, lassen Sie uns jetzt bitte nicht streiten über Worte). Aber wohl ist mir dabei nicht. Wir haben ein Grundgesetz, das wir nur für die Menschen in unserem Land verbindlich Wirklichkeit werden lassen können, die sich anpassen. Wer das nicht schafft, verliert seine Würde. Und das ist eine Katastrophe. Auch wir Christen haben dafür keine Lösung. Wir schützen in erster Linie unser Eigentum. Aber was wird uns das nützen? Auf Dauer, meine ich. Ich meine: über die jetzige Zeit hinaus. Denn wenn ich nicht an Gott glaube, kann ich mein Leben organisieren und abischern. Aber wenn ich an Gott glaube, darf keiner verloren gehen.

Timeless from Abby Middleton on Vimeo.

Ich habe dem fremden Mann versprochen, ihn morgen in dem Obdachlosenheim zu besuchen. Er wusste nicht mal, in welcher Straße er wohnt. Aber das wussten die anderen. Wir Gemeindemitglieder haben darüber gesprochen, wer wen anruft und wie wir Kontakt mit Hilfestellen aufnehmen. Aber ganz ehrlich: Hoffnung hab ich nicht für ihn. Und wir? Wir geben unser Bestes. Versprochen. Wenn Sie bitte für uns und den Mann beten würden?