Auf dem Weg nach Colmar machten wir Station in Klingenmünster und entdeckten dabei Laurins Wald.
Colmar liegt im Elsass. Wenn man nicht genausoviel wandert wie man Speis' und Trank konsumiert, endet der Urlaub mit Verdruss. Spieglein, Spieglein - bin das ich?
Reisen Sie im Oktober ins Elsass. Die Einheimischen haben viel zu tun wegen der Weinernte. Das Laub färbt sich von Grün zu Vielfalt. Man kann übrigens mit Bus und Zug wunderbar von Colmar aus in die Umgebung reisen, zurückwandern oder eine Rundtour machen bis zur Ausgangshaltestelle. Für Sie getestet und für gut gefunden. Sie werden Albert Schweizer und Störchen begegnen. Es gibt eine unglaubliche Fülle an Walnüssen, Pflaumen, Schmetterlingen, Äpfeln. Eigentlich muss man nur was zum Trinken mitnehmen.
Was mich wirklich verblüffte: die Sprache. Im Gespräch mit Mitmenschen kommt die Frage auf: Welchen Sinn machen Staaten? Ich denke: Dies ist das Elsass, man spricht elsässisch. Das kann man nicht auf "französisch" oder "deutsch" reduzieren. Aber wie bringt man das in unsere zeitgemäße Form von Staaten unter? Über die Grenze kommen wir bereits ohne Unterbrechung. Man sieht die alten Grenzanlagen, die noch gebraucht werden, wenn wieder Terroristen zugeschlagen haben. Terroristen. Das ist auch so ein Wort. Wir diskutieren bei Wein und Flambée. In den Zeitungen geht es um die Separatisten in Spanien - zum Beispiel die Katalonen. Darf der spanische Staat Menschen in Katalonien mit Gewalt in die Knie zwingen, weil es sein Staatsgebiet ist?
Im Bartholdimuseum wird erklärt, wie die Freiheitsstatue entstand. Es wird aber nicht erklärt, wie der Künstler Bartholdi auf seine Idee kam. Er war finanziell unabhängig. Der Koloss von Rhodos beeindruckte ihn, aber für den Suezkanal ließ man ihn nichts bauen. Das mit der Freiheitsstatue dauerte, aber es wurde was. Ich kann darin keinen politischen Willen erkennen. Es ist Kunst mit einem Sinn für Proportionen, Schönheit und Pathos. Ein bißchen enttäuscht bin ich schon. Ich hatte gedacht, die Statue begrüßt Einwanderer: "We hold up these truths ..."
Hansi verpassen Sie garantiert nicht. Er war einer der ersten Werbegrafiker (Wir haben seine und die Schilder anderer an den Handwerkerhäusern und den Restaurants fotografiert). Er war ein pfiffiger Zeichner. Man erfährt leider zu wenig über seinen Widerstand gegen die deutschen Besatzer. Dafür sind seine Bilder einfach zu niedlich. Viel passender als der Stress mit der Gesinnung. In einer Buchhandlung mit Antiquariat in der Rue des Marchands gibt es haufenweise unterschiedlichste Literatur über den Elsass und Zeichnungen von Hansi und anderen pfiffigen Künstlern (beispielsweise Tomi Ungerer, aber den beguckt man gründlicher in Straßburg). Dort findet man auch ein Taschenbuch, das in mehreren Sprachen veröffentlicht erklärt, warum das Elsass endlich befreit werden muss.
Mir kamen die Menschen im Elsass freundlicher vor als in anderen Gegenden. Aber mir fällt auf, dass grundsätzlich französisch gesprochen wird.
Der Staat sorgt für Recht und Ordnung. Wir müssen uns um Vieles nicht kümmern. Wenn wir leben, wie wir leben, wird irgendein Staat kommen, und uns einfach wegnehmen, was wir nicht verteidigen können. Oder ein Konsortium wird kommen.Ich denke an etwas ganz anderes. Es müsste geerdete Lebensräume geben, die ins Unüberschaubare hinein vernetzt sind. Ich will reisen, lernen, mich informieren, genießen, teilen, gestalten. Blockchain und Urban Gardening.
Polizeipräsenz fällt auf. Beispielsweise 4 Polizisten im Bahnhof. 2 Franzosen, 2 Deutsche. Eine ältere Dame spricht einen der deutschen Polizisten an, der wortlos auf das Embelm auf seinem Ärmel zeigt. Freundliche Menschen und Polizeipräsenz.
Während wir in Colmar sind, brennt ein Haus in einer Nachbarstadt. Kinder und ein Erwachsener sterben. Es wird ein fremdenfeindlicher Hintergrund vermutet. In einer anderen Nachbarstadt Colmars gibt es eine Bombendrohung. Zum Glück passierte nichts. Bei einer Zugfahrt zurück aus den Weinbergen in die Stadt ist Polizei anwesend. Sie gehen durch den Zug. Als sie aussteigen, steigt Bahnpolizei ein.
Mir fiel auf, dass immer wieder Touristen "Unter den Linden" sagen, wenn sie aus Deutschland kommen. Aber das Museum mit dem Issenheimer Altar heißt Unterlinden. Mein Favorit ist die Verkündigung an Maria von Otto Dix, das im neuen Gebäude hängt.
Die grausame Seite des Internets lernen wir im Au Croissant Doré kennen: Eine alte Dame führt dieses Café. Das weiß auch der TripAdvisor. Mehr muss ich wohl nicht sagen. Wir bemühten uns, nicht im Weg zu stehen und nahmen unser Croissants morgens nach der touristischen Rush-Hour. Gäste gehen der alten Dame zur Hand. Sie sagt: "Die Deutsche reisen so viel." Ja, das habe ich auch in anderen Ländern schon gehört. Vielleicht tun wir das, weil es bei uns so eng ist. Im Elsass hat selbst derLKW-Fahrer noch die Wahl, ob er Fußgängern den Weg freigibt. Offenbar zählt nicht jede Sekunde. Aber es gibt auch Bettler und Ausgegrenzte. An den Orten der Touristen treiben sich auch Besoffene rum, die müde aussehen, richtig traurig. Bei aller Gelassenheit machen wir die Erfahrung, dass in Klein-Venedig die Mittagszeit streng eingehalten wird. Durchgehend offen ist nur die Bar oder das Café. Menschen brauchen Pausen. Alle Menschen. Und man kann nicht alles für Geld haben. Die alte Dame im Au Croissant Doré kommt um 7 Uhr in ihr Café, mittags hat sie eine Hilfe, abends ist sie mindestens bis 21 Uhr im Café tätig. Aufräumen, abrechnen, vorbereiten, Einkauslisten. Das wissen die TripAdvisor-Kunden nicht, die schreiben, man warte lange auf seinen Kaffee, der außerdem nicht gut sei und eng sei es auch. In Wirklichkeit werden zwei vorhandene Tageszeitungen unter den Gästen (natürlich nicht unter allen) weitergereicht. Wir hatten uns angewöhnt, eine mitzubringen, so dass 3 Tageszeitungen kursierten. Man kann diesen Ort nicht besser machen. Man kann da nichts optimieren.
Don't miss Ammerschwihr
Ammerschwihr ist ein kleiner Ort in der Nähe von Colmar. Durch Zufall geraten wir beim Wandern dort hin. Denn hin wollten wir nicht, da der Reiseführer es für uninteressant hielt. In dem Ort gibt es einen Künstler, der mit Mosaiken arbeitet. Der Reiseführer war der Meinung, der Krieg habe alles kaputt gemacht. Im Ort gibt es Schilder, die Reste von Häusern erklären und alte Anblicke der Stadt zeigen. Außerdem wird eine amerikanische Fotografin geehrt, die die Zerstörungen dokumentierte und die Menschen vor Ort portraitierte. Und die Website zeigt wirklich etwas von dieser Zufriedenheit der Menschen. Verpassen Sie Ammerschwihr nicht.