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Diözesantag der Gemeindereferenten und Gemeindereferentinnen im Bistum Essen 2017 - heiß, durstig und lustig

Seit mehr als 30 Jahren bin ich nun Gemeindereferentin im Bistum Essen, aber so was Entspanntes habe ich unter uns Kollegen und Kolleginnen selten erlebt. Man kommt im Kardinal-Hengsbach-Haus an und gerät in das übliche Wiedersehensszenario. Es gibt Kaffee, Tee und Kekse. Innerhalb weniger Minuten bilden sich Grüppchen, die frei fließend inneinander übergehen. Wir nennen uns "Berufgsgruppe". Niemand wird gemoppt. Niemand ordnet alles. Wir wussten ja im Vorfeld schon, wie der Ablauf ist, so dass alle zur rechten Zeit in der Aula sind.

Pastoraler Beruf in Zeiten der Umstrukturierung

An mehreren Stellwänden werden Fragen gestellt und Impulse gegeben, die unsere Gespräche auf berufliche Fragen fokusieren. Wir schreiben unsere Anliegen darauf. Später werden wir mit Klebepunkten die Aussagen werten.

Die Gespräche sind teils Smalltalk, teils sehr labil. Es bedarf hoher Empfindsamkeit, wenn man sich einer Gruppe nähert, neugierig auf Themen und neue Inhalte. Aber wir sind alle Seelsorger oder Seelsorgerinnen. Wir gehen sorgsam miteinander um. Schön auch: die Blickkontakte - kaum wiederzugeben in Worten.

Vor mehr als dreißig Jahren konnten nur Frauen im Bistum Essen Gemeindereferentinnen werden. Es gab zwar schon Männer in der Ausbildung, aber ... ach, die sollten doch besser Priester werden.

Aus unserem Sprecher/innen/kreis sind alle Anwesenden in die Organisation des Diözesantages involviert. Unsere Diözesanreferentin, Frau Ingeborg Klein, die üblicherweise "den Hut aufhat", ist noch bei einer Sitzung der K IV der DBK (aber das wäre ein weiterer Blogbeitrag). 4 Kolleginnen bilden ein Moderatorinnenteam. Die Geschmeidigkeit des Ablaufes ist verblüffend. Sie gehen freundlich und zugewandt umher. Man merkt gar nicht, dass sie den Prozess steuern. 

Gemeinsam beten

Da Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck anwesend ist, feiern wir gemeinsam eine Heilige Messe. Dazu gibt es nicht viel zu schreiben: Das ist wohltuend. Das ist Gebet.

Aber das bereits ist etwas Erwähnenswertes. Wie so einiges andere. 

Zum Beispiel dies: Ein Messdiener in kurzen Hosen. Ja. Das mag den einen oder anderen reizen. Aber bedenken Sie: Es war heiß am 29. Mai 2017 und wir waren unter uns und der junge Mann sah nicht anstößig aus, er war sauber und angemessen gekleidet. Die kurzen Hosen fallen nur deswegen auf, weil sie eine Veränderung bildlich verdeutlichen: Jede/r von uns ist so wie er /sie ist da. Es gibt eine neue Qualität von Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeiternehmer und unter uns Christen.

Das Gespräch im Plenum

Das Leitungsteam moderiert die Ergebnisse der Pinnwände. Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck nimmt Stellung. Es ist der Montag nach dem Kirchentag in Berlin-Wittenberg. Wir sprechen über Befürchtungen (bei denen wir beginnen) und dem, was uns gut tut. Was brauchen wir? Diensthandys und Dienstwagen. Zu dem Zeitpunkt sind sowohl Frau Klein als auch der Personalchef Herr Domvikar Dr. Kai Reinhold anwesend. Natürlich wird gelacht, aber es wird auch über die Zusammenhänge dieser Anfrage gesprochen: Im Sauerland gibt es weite Wege. Mit unseren Handys sind wir ständig erreichbar. Wie grenzt man sich ab. Bischof Overbeck macht uns Mut. Er stehe hinter uns, sagt er. Eine Kollegin interveniert, es sei immer die Situation vor Ort, die wir zu bewältigen haben. Bischof Overbeck bestätigt das. Er habe Vertrauen in unsere Fähigkeiten. Wir haben ja wirklich persönlich ausgeprägte Charismen und seien dennoch Generalisten. Er skizziert für uns die Zeiten der ungleichzeitigen Umbrüche und betont noch mal, dass er für uns ansprechbar ist.

Im Plenum brauchen manche Kollegen und Kolleginnen ausufernde Ich-Aussagen. Es geht im Sehen und Gesehen werden. Es geht um Positionierung und Karriere. Wir sind aber ein pastoraler Beruf. Das wird bei diesem Diözesantag sehr deutlich.

Aus eigener bitterer Erfahrung nimmt unser Bischof zu Social Media Stellung. Jeden Abend nimmt er sich 1 Stunde Zeit dafür. Das ist mehr als die meisten von uns sich nehmen und weniger als die Strategen der Social Media an Zeit dafür haben. Ich bin die einzige, die twittert. Heute morgen ist mir das etwas peinlich, denn ich dominiere die Timeline des Bischofs, aber das wird sich bald ändern. Das ist ja das Gute an diesem schnellelbigen Medium. Eine andere Kollegin hat Fotos auf unsere Facebook-Seite gepostet. Das wurde von 12 Personen gelikt (bis jetzt).

Ein neues Wort macht die Runde: Wut-Katholiken. Wir kauen das Wort öffentlich durch. Jemand hat es aufgeschrieben. Es ist traurig, aber es muss benannt weden. Wir brauchen Raum und Zeit, mit dem Phänomen umzugehen. Allgemeine Ratlosigkeit. Wir arbeiten dadran.

Es geht natürlich auch um den Sozialraum. Kirche ist nicht mehr Gemeinde für die meisten Christen. Auch unser Beruf ändert sich entsprechend. Wir kauen das durch. Beispiele gelungener Dialoge zwischen politischer Gemeinde und katholischer Gemeinde machen die Runde. Ökumene kommt zur Sprache. Wir alle haben Erfahrungen damit, dass Menschen ihre Wege selber suchen. Bei den Abgehängten finden wir die Wut-Katholiken. Bei den kulturell Kompetenten finden wir Menschen aller Glaubensrichtungen und Agnostiker, die mit uns unterwegs sind. Seltsam, dass das so gesagt werden kann. Mir kommt es richtig vor, denn ich erlebe es so.

Normale und Vegetarier am Grill

Ob es beim Grillen zum Abschluß auch was für Vegetarier gibt? Es bildet sich eine lange Schlange, alle mit Teller, Gabel, Messer, Serviette in der Hand. Auch das Abendessen ist sorgfältig vorbereitet. Der Domvikar verteilt die Getränke an den Tischen. Er findet, er sei immer noch Diakon. Grüppchen bilden sich nicht als Form des Ausschlußes, sondern als Notwendigkeit. Man will ja essen. Da muss man sitzen. Wir sitzen irgendwie beieinander. Die Raucher sitzen am Rand. Es gibt tatsächlich Grillkäse.

Unsere Gespräche drehen sich weiter um Sozialräume, Kirchenentwicklung, Sozialräume, Spiritualität und alles. Eine Kollegin erzählt von einem komplett neuen Stadtteil, der in ihrer Pfarrei auf einem stillgelegten Industriegelände entsteht. Ein Kollege erzählt von der Sozialkirche, die nicht ganz so wird wie geplant, weil Ehren- und Hauptamtliche und die Entwicklungen nicht so steuerbar sind wie erwartet. Ich komm gar nicht dazu, von Inklusion zu erzählen, weil das alles ja schon Inklusion ist.

 

Die digitale Kirche ist auch nichts anderes

Was ist eigentlich dieses "digitale Kirche"? Smartphones, Jugendliche mit zukünftigen Nackenwirbelproblemen, leere Kirchen, ... oder doch eher etwas kompetentes, zukunftsorientiertes, erfreuliches? Der Begriff taucht bei Twitter immer wieder auf. Aus Zusammenhängen in Blogs kann ich nicht erkennen, was genau gemeint ist.

Fledermäuse im öffentlichen Personennahverkehr

Die Nerds in katholischen Kreisen Hauptamtlicher betonen gerne, man könne Jugendliche mit Aufgaben am Computer betrauen. Ich bin da nicht so sicher. 

Letztens packte ich eine Frage computertechnischer Art in eine längst verstaubte WhatsApp-Gruppe ehemaliger Firmlinge, die nur noch lebt durch Meldungen, wer die Gruppe verläßt oder tapferer Veranstaltungshinweise meinerseits. Auf meine Frage antwortete eine Dame aus der Gruppe, sie habe leider keine Ahnung. Sie ist eine Nette. Wir sind auf Instagram verknüpft, haben aber ansonsten nichts miteinander zu tun. hm. Wirklich nicht? Sie geht nicht in die Kirche. Ich sehe sie selten. Ihre Bilder sind schön. Sie postet viel über gemeinsame Erlebnisse. Tolle Sache. Wir haben wohl doch was miteinander zu tun, wenn sie doch antwortet.

Im Linienbus. Ein ehemaliger Firmling derselben Gruppe steigt ein. Er steckt im Abi. Neuerdings immer mit so Riesenkopfhörern auf den Ohren. Wir grüßen einander immer freundlich. Nicknick. Fertig. Er lehnt sich lässig an den Handlauf. Ich sitze weiter hinten und schaue in die Gegend. Auf einmal setzt er sich in Bewegung, kommt, setzt sich neben mich und schwups sind wir in einem Gespräch über mein technisches Problem. Er erzählt von seinen Projekten und ich zeige ihm einen Blogbeitrag zu dem Thema, das mich bewegt. Er will sich das mal angucken. Tschüsstschüss. Ich bin verblüfft.

ein Schiff, das sich Gemeinde nennt

Wenig später sitze ich mit Freifunkern in der Kneipe. "Ach, du bist von der Kirche?" Einer outet sich als ehemaliger Pfadfinder und erzählt ganz begeistert von einem ehemaligen Pfarrer, der ganz plötzlich starb und seitdem geht alles bergab. Ich muss mich jetzt zusammenreißen. Ich könnte jetzt eine Art Presseerklärung unserer Pfarrei abgeben, aber verzichte darauf. Man redet und redet und ich bin schon wieder verblüfft. Man erzählt von der Flüchtlingshilfe, für die man in Gemeindehäusern Chromebooks und Router bereitstellt. Traurig nur: die Router werden nur für den Deutschunterricht angestöpselt. Ansonsten ist da ein roter Punkt auf der Karte. Was soll ich sagen? Die Gemeinde, von der die Rede ist, leidet an ihren Hauptamtlichen. Der junge Mann hat recht: sie gehen alle weg. Es wäre vorausschauend von dem verstorbenen Pfarrer gewesen, wenn er seine Pastoral mit Ehrenamtlichen ausgestattet hätte und nicht alles auf sich fokusiert worden wäre. Er ist weg. Wie als wär beim Jenga der falsche Stein gezogen worden. Im Kreis der Freifunker verabrede ich, mit den Kollegen zu reden. Aber auch den Freifunkern würde ich gerne eine neue Sicht auf Kirche vermitteln: Wir sind Kirche. Das muss in die Köpfe und die Herzen. Einerseits soll alles modern sein, andererseits soll der Pastor es richten. Wie kann man das ändern?

Der junge Mann erzählt von seiner Oma, die nicht mehr in die Kirche kann und die bei einem gestreamten Gottesdienst bestimmt voll abgehen würde.

Bestattung

Der Kollege trägt sein schwarzes Ringbuch bei sich und ich mein Tablet. Er findet es seltsam, dass ich ein Tablet auf einer Beerdigung bei mir trage. Ich nicke nur. Es braucht alles Zeit. Die Familie, die ihren Sohn, Bruder, Cousin zu Grabe trägt, interessiert sich nicht für die Mittel und Methoden. Ein bißchen hängen sie immer noch an bestimmten Zeichenhandlungen. Aber sie sehen weder das Ringbuch, noch das Tablet.

Das neue Gotteslob

Ein Messdienerleiter im Rollstuhl kann wegen langwieriger Erkrankungen schon länger nicht in die Kirche kommen. Sein Nachbar zieht ihn auf, er müsse doch in die Kirche, schließlich sei er katholisch. Mindestens 7 Jahre war er jetzt nicht mehr in einer katholischen Messe. 

Wir treffen uns, um das neue Gotteslob anzuschauen. Wir sehen uns das Inhaltsverzeichnis an und finden das Glaubensbekenntnis in 2 Versionen an 2 verschiedenen Stellen. Wir sehen "Tagzeitenliturgie" und ich erzähle von Twitter, Twaudes und Twomplet und er sagt, er bete lieber persönlich. Ich versuche zu erklären, wie wir bei Twitter beten, aber er geht nicht darauf ein.

Später denke ich, dass das Digitale an der Kirche genau so wie das Eucharistische ihm nicht geläufig sind. 

Inklusion

Für Menschen mit Behinderung ist das Internet genau so wie die moderne Computertechnik eine Chance zur Teilhabe an einem gesellschaftlichen Leben, das noch nicht von allen in unserer Gesellschaft als Normalität empfunden wird. In meinem Verständnis von dieser digitalen Kirche gibt es kein Richtig oder Falsch. In vergleichbarer Weise kann jeder Mensch an Twitter teilnehmen. Wenn ich einen Tweet lese, lese ich diesen Tweet. Von dem, der ihn tippte oder einsprach, weiß ich nur, was er preisgibt von sich. Es ist mir gewöhnlich auch nicht wichtig. 

Inklusion und Teilhabe fokusieren auf die Gesamtheit der Gesellschaft.

Die digitale Kirche steht als Begriff neben evangelische Kirche, katholische Kirche, Freikirche, ... und meint doch etwas ganz anderes.

Was mir gut an Inklusion und Teilhabe und digitale Kirche gefällt, ist ihre Unfaßbarkeit und Weitläufigkeit, das Interesse, die Begeisterung, das Verwischen der Hindernisse zwischen Teilnehmern und Teilgebern. Beiden ist eher eine Haltung eigen als eine Definition.

Zum Weiterlesen:
 

Barrierearme Abendmahlsliturgie oder "Wie wir das erste Mal in der Marienkirche waren"

Herr A wohnt seit einem Jahr in einem neuen Wohnhein in einer neuen Stadt. Fußläufig ist die katholische Kirche 15 Minuten entfernt, aber es gibt vielbefahrene Straßen mit schnellen Autos. Da niemand die Zeit aufbringt, mit ihm zu üben oder ihn zu begleiten, kann er nicht in die Kirche.

Gründonnerstag 2017 sind wir zum ersten Mal gemeinsam in die Marienkirche gegangen, denn die hat eine Rampe. Die schwere Eichentür kann selbst ich nur mit Mühe öffnen. Aber vor uns ging ein Mann mit Rollator hinein, dessen Begleiterin uns die Tier offenstellte. Dann standen wir vor der Schwingtür. Sehr wenig Raum zwischen Schwingtür und Eichentür. Das würde später beim Rausgehen schwierig werden.

Herr A ist geistig behindert und sitzt im Elektro-Rollstuhl. Er kann ihn zwar steuern, aber es fällt ihm schwer, etwas mitzuteilen. Wenn er Probleme mit der Steuerung hat oder nicht sieht, wo er hinfährt, sagt er das nicht. Das muss seine Umgebung schon selber merken.

Wir suchten uns einen Platz in der Kirche, die groß und weitläufig ist, hoch und mit viel Platz in den Gängen. Der Vorteil: Ein Rollstuhlfahrer muss nicht vorne vor er ersten Reihe oder hinten am Ausgang sitzen. Herr A saß in einem Zwischengang, ohne dass wir beim Kommuniongang den Weg versperrten.

Der Mann mit dem Rollator tauchte im Meßgewand im Altarraum auf. Ein behinderter Diakon. Das ist für Herrn A eine wichtige Erfahrung, die ich zu einem anderen Zeitpunkt gerne mit ihm im Gespräch verdeutlichen möchte. Er ist kein Außenseiter mehr, wenn er Hilfe benötigt. Im Altarraum waren erwachsene Meßdiener an seiner Seite, die offensichtlich nicht dazu abgestellt waren. Man ging einfach aufmerksam miteinander um.

Kirchenvolk und Pfarrteam

Nach dem Einzug ging der Pfarrer erst einmal ans Ambo. Er bat die Gemeinde, sich einen Augenblick zu setzen. Dann erklärte er die Bedeutung des Triduums und bekannte, er sei aufgeregt, denn dies sei sein erstes Osterfest in dieser Gemeinde. Er freue sich, dass sein Team dabei sei und stellte die Geistlichen mit Namen vor.

Die Gemeindemitglieder saßen bis auf wenige Ausnahmen stocksteif da. Wer sich kannte, begrüßte sich, man redete miteinander, aber kaum jemand nahm freundlich Notiz von den anderen. Anders im Altarraum: kleine und große Meßdiener wirkten entspannt und hatten offensichtlich Freude an ihrem Dienst. Die Kleinen waren sicherlich aufgeregter als der Pfarrer, aber alle strahlten in Körperhaltung und Mimik etwas aus, das der Gemeinde fehlte. Hier versteinerte Gesichter, da erwartungsfrohe Gesichter.

Herr A saß einfach in seinem Rollstuhl. er bewegte sich kaum. Aber es ging ihm gut. Er schlief nicht ein (was auch manchmal passiert) oder spielte mit seiner Steuerung rum. Wir kennen keine Gemeindemitglieder. Vielleicht haben wir mal die Möglichkeit, an einer Versammlung teilzunehmen. Dann ergeben sich möglicherweise auch Kontakte.

Lakmustest Kommuniongang

Der Pfarrer hatte angekündigt, es werde aus gutem Grund die Kommunion in beiderlei Gestalt gereicht. In seiner "Heimatgemeinde" bringen die Kommunionhelfer Herrn A die Hostie zum Platz. Ich war gespannt, ob wir nach vorne "gehen" würden und wie die Kommunionhelfer damit umgehen würden.

Es gab 4 Teams von Kommunionhelfern: jeweils 1 Mensch mit Hostienscha le und einer mit Kelch. 2 Teams kamen in den Zwischengang und hatten nun ein wenig Probleme mit dem dicken E-Rolli, denn geprobt hatten sie natürlich ohne dieses Ding. Die Gemeindemitglieder hatten offensichtlich Probleme den Rollstuhl wahrzunehmen, denn sie umrundeten ihn sehr umständlich. Die beiden Kommunionhelfer gingen zu Herrn A und der mit der Hostienschale reichte ihm die Kommunion und stellte sich dann an den Platz, an dem sich bereits eine Reihe von Kommunikanten aufgestellt hatten. Der mit dem Kelch fragte mich, ob ich auch die Kommunion wünsche. Ich bejahte und er sagte seinem Kollegen Bescheid, der noch mal rüberkam. Dann bekam ich den Kelch gereicht. Ich fragte Herrn A, ob er auch den Kelch wünsche und er nickte. Der Kommunionhelfer beugte sich vorsichtig zu ihm, kam dann aber nicht recht weiter, da Herr A überhaupt nicht reagierte. Ich nahm dem Kommunionhelfer den Kelch ab und reichte ihn Herrn A. Dann ging alles normal weiter.

Die beiden Kommunionhelfer waren auch die, die im Altarraum das meiste mit dem Diakon (dem Mann am Rollator) zu tun hatten. Ungewöhnliche Situationen erfordern erhöhte Aufmerksamkeit und ungewöhnliche Wege der Kommunikation.

This is not the end

Wir mussten direkt nach dem Schlußgebet raus, denn das Wohnheim bietet nach 22 Uhr keinen Service mehr für die Pflege. Das war ganz gut, weil wir bei der Prozession zum Seitenaltar gewiß im Weg gestanden hätten.

Herr A wirkte entspannt und zufrieden. Der Heimweg verlief erwartungsgemäß nicht ganz problemlos, weil wir eine Ampel zu nutzen hatten, deren Grünphase selbst ich nicht schaffe. Herr A braucht Zeit, bis er die Erkenntnis, dass grün ist, in eine Handlung umsetzen kann. Darum mussten 2 Ampelphasen vergehen, bevor wir den Mittelstreifen erreicht hatten. Der Problem am 2. Abschnitt der Straßenüberquerung war ein Auto, dass bei Rot auf uns zufuhr. Ich wedelte wild mit den Armen und wir hatten nochmal Glück. Abgesenkte Bordsteine sind nicht immer so abgesenkt, dass ein entspanntes Fahren möglich ist. Da ist beim Städtebau noch viel Luft nach oben. Andererseits wird sich vieles durch Training und gute Rollstuhlversorgung meistern lassen.

 

Palmsonntag 2017 - eine unhaltbare Predigt

"Die Gemeinde will das so." Einer der dümmlichsten Sätze unserer Pastoral. Er entstammt einem klugen Satz: "Die Gemeinde versammelt sich am Sonntag zur Heiligen Messe." Das ist, wie es sein soll. Es versammelt sich aber nicht die ganze Gemeinde an einem einzigen Ort. Darüber gäbe es viel nachzudenken.

Wir schleppen manches Allgemeingut mit uns herum. Beispielsweise höre ich immer wieder von Eltern, dass sie bestimmte Dinge für ihre Kinder kaufen, damit sie keine Außenseiter seien. Sie selbst seien nicht dafür, aber so sei es nunmal. Alle machen es so.

Im Kommunionkinderunterricht in den 60igern hörte ich, dass die gleichen Menschen, die Jesus mit Hosianna begrüßten später "Kreuzige ihn!" riefen. Das ist mir dermaßen in die Glieder gefahren, dass ich seitdem kein Hosianna mehr singen kann, ohne daran zu denken. Die Menschenmenge ist ein gefährliches Ding. Sie jubeln und freuen sich und dann lynchen sie. Sie können nichts dafür und waren nur dabei. Der Einzelne als Teil der Masse. Zugehörigkeit und Unverantwortlichkeit. Ein Christ kann sich in der Menge nicht verstecken. Gott sieht mich auch in der Menge. Aber es ist nicht die Angst vor einem strafenden Gott, die mir im Erstkommunionunterricht vermittelt wurde, sondern die Selbstbestimmung. Zu einer Zeit, als das Bejammern der grasierenden Individualisierung die Weiterentwicklung und Veränderung christlicher Gemeinden zu hemmen begann, lehrte man uns, dass Jesus uns liebt. Kein dummer Spruch. Als Kind habe ich verstanden und bis heute behalten, dass Gott mich vorraussetzungslos liebt. Dass ich diese Liebe erwidern soll, habe ich später im Studium erfahren. Wenn die Botschaft glaubwürdig ist, muss man sie nicht bis in die Staubecken ausdeuten. Ich hätte das Studium der Religionspädagogik nicht begonnen, wenn Gott mich nicht lieben würde und ich dies nicht erführe. Gottes Liebe ist ein Grund zum Jubeln.

Geliebt zu werden macht uns stark - zu lieben macht uns mutig, sagt Laotse

Alle standen sie da und begrüßten Jesus bei seinem Einzug in Jerusalem. Großes Hallo! In der Martinskirche ging das Evangelium, wie viele der langen Texte, an den Zuhörern vorbei. Viele Zusammenhänge und die ganze Dramatik ist fremd. Da muss zu viel erklärt werden, als dass man zum Eigentlichen kommen könnte. Nur Eines wurde gehört:

Die Heilige Woche

Darüber wollten manche hinterher und am nächsten Tag mehr wissen.

  • Wirklich eine ganze Woche?
  • Was passiert da?
  • Wo finden Gottesdienste statt?
  • Kann ich da auch hin?

Aber Menschen mit Behinderung können leider, leider oft nicht an unseren Gottesdiensten teilnehmen. Der Plegedienst hat ein Zeitfenster, das zu den außergwöhnlichen Zeiten nicht paßt. Der Fahrdienst fährt nach 22 Uhr nicht mehr. Die Mitarbeiter auf den Wohngruppen sind leider zur Zeit schlecht besetzt. Die Gemeinde (s.o.) ist mit diesem Problem überfordert. So bleibt abzuwarten, wer in dieser Heiligen Woche die Liturgie mitfeiern wird, die mit ihrer Bildsprachen und der Passion auf Ostern hinführt. Die Auferstehung fanden viele Zuhörer in der Martinskirche unmöglich. Wer stirbt, ist tot. Dass dieser Jesus Menschen auferwecken kann, fanden sie fragwürdig und wollten Erklärungen. Auf diese Weise begann vor 2000 Jahren die junge Kirche. Man gab das Wort vom Evangelium weiter, teilte Brot, sorgte für Kranke und Witwen. Was tun wir heute? 2017. Was ist wirklich dran? Und wie machen wir es am besten?

In dieser Heiligen Woche, die heute beginnt, ist kein Raum für Konzeptentwicklung. Jetzt ist die Zet der Aufmerksamkeit und der Gemeinschaft. Die Passion steht im Mittelpunkt. Wie schön wäre es, wenn alle, die wirklich daran interessiert sind, Wege und Wegbegleiter finden würden.

 

Nachdenken über Gemeindepastoral x Konzeptentwicklung

Ein Esel steht auf einem Weg mit dem Rücken zur Ferne und frißt trockenes Gras.Das Bistum Essen bietet seinen Mitarbeitern Schulungen in Konzeptentwicklung an. Teilnehmen können alle Mitarbeiter, so dass ein fruchtbarer Austausch verschiedener Berufsfelder entsteht. Konzeptentwicklung hilft pastoralen Mitarbeitern, gewohnte Abläufe zu hinterfragen und neu zu ordnen. In Gesprächen zwischen den Lerneinheiten werden Eindrücke und Erfahrungen in formlosen Gesprächen ausgetauscht. Dabei haben sich für mich 3 Aspekte herausgeschält, die die kulturelle Distanz zwischen Konzeptentwicklung und Pastoralplan sichtbar machen. In meinen Ausführungen beziehe ich mich auf eine fiktive Pfarrei, die die Problematik verdeutlichen soll. Ich äußere hier meine Meinung.

Budgetierung der Arbeitszeit

Bei der Projektskizze und in den Vorplanungen muss die Zeit budgetiert werden, die einzelne Teilnehmer, auch Teamleiter, dafür aufwenden werden. Wie budgetiert man pastorale Arbeit?

Ein Mitglied der fiktiven Pfarrei äußert in der Abschlußrunde des Pfarreientwicklungsprozesses, man wisse überhaupt nicht, was pastorale Mitarbeiter den ganzen Tag machten. Hätten wir unsere Arbeitszeit budgetiert, hätten wir ihm sofort antworten können. Aber wie macht man das?

In der Regel gibt es Aufgabenbeschreibungen. Sie werden einmal im Jahr in Mitarbeitergesprächen abgestimmt. Der Pfarrer ist der Vorgesetzte. Der Pfarrer ist Personalchef, Verwaltungschef, Seelsorger und auch sonst alles und außerdem mitten im Umstrukturierungsprozess. Er muss als Person und als Amtsträger bewahren und erneuern. Er hat nur 24 Stunden am Tag. Er tut, was er kann. Er kann nicht jeder Mode nachlaufen und wird vermutlich nicht begeistert sein, wenn ich ihm vorschlage, dass wir mal im Team gemeinsam unsere Arbeit in Budgetform darstellen. Einen Versuch ist es wert.

Der Öffentlichkeit sind wir pastoralen Mitarbeiter eine Antwort schuldig.

Auftraggeber

In einer Pfarrei ist naturgemäß der Pfarrer der Auftraggeber. In der Pastoral ist es aber so, dass kein pastoraler Mitarbieter seine Arbeit allein auf die Pfarrei beschränkt. Der Pfarrer weiß, dass seine Mitarbeiter im Sinne des barmherzigen Samariters auch schonmal am Wegesrand stehenbleiben. Er vertraut seinen Mitarbeitern und überprüft darum nicht jeden Schritt. Aber das Ergebnis schmeckt ihm nicht immer. Der Pfarrer trägt die Verantwortung, aber fachlich ist sein Mitarbeiter kompetenter als er. Trotzdem muss er ihm Einhalt gebieten. Er muss auf Überforderung reagieren, aber seine eigene Überforderung kann innerhalb des Pastoralteams nicht thematisiert werden. Er selber ist wiederum einem anderen "Auftraggeber" zugeordnet.

Die Begriffe der Projektentwicklung lassen sich nicht auf Begriffe der Pastoral übertragen. Es bleiben Unschärfen  und Unverträglichkeiten. Wenn das, was in der einschlägigen Literatur vertieft und gelehrt wird, in der Pastoral umgesetzt werden soll, muss jeder im Pastoralteam die Eckpunkte verstanden haben. Aber wer weiß schon, was smarte Ziele sind?

Ein Pfarrer, der die Werkzeuge der Projektentwicklung kennenlernt, kann diese für sein Team nutzbar machen (sowohl für Ehren- als auch für Hauptamtliche).

Transparenz

Mit einer Projektskizze werden Abläufe, Ziele, Beteiligungen und Kosten eines Projektes transparent. Das ist nicht immer im Sinne ... öm ... dessen, was wir in einer Pfarrei gewohnt sind. Wer sich nicht auf dem Feld der Projektentwicklung bewegt, wird nicht verstehen, warum er nicht wie bisher auf kurzem Wege mit dem Pfarrer eine Sache verhandelt. (Beispiel: Wir brauchen neue Stühle im Pfarrsaal. -> Wir haben eine Angebot. Kaufen! -> Wir haben ein Projekt "Pfarrsaalgestaltung". Laßt uns erst mal gucken, was da bereits beraten worden ist.)

Wieviel gibt eine Gemeindereferentin eigentlich für ihre Arbeit aus? Was kostet sie die Verwaltung? Bis jetzt sind wir gewohnt, unsere Rechnung auf den Tisch des Pfarrbüros zu legen. Manchmal gibt es Rückfragen. Manchmal wird entschieden, dass für "diese Sache" nichts mehr ausgegeben wird. Wenn es für "diese Sache" aber eine Planung gibt mit Zeit und Geld und Personal und Absprachen und Klärungen und Öffentlichkeitsarbeit, ist das Budget (s. Budget) nachvollziehbar. Das bedeutet für mich viel Arbeit im Vorfeld und mehr Klarheit im Vorgang.

Ehrenamt und Hauptamt

Im Bistum Essen wird vom neuen Ehrenamt gesprochen. Es ist nicht mehr so, dass der Pfarrer sonntags von der Kanzel herab erklärt, was zu tun ist. Viel geschieht in einer Gemeinde, ohne dass das Pastoralteam davon wüsste. Nicht alles ist messbar. Nicht alles ist kontrollierbar.

Hauptamtliche werden mit den Mitteln der Personalentwicklung vom Arbeitgeber begleitet und gefördert. Der Auftrageber/Pfarrer weiß dadrum. Er weiß, wie sein Team in der Pastoral tätig sein kann, weiß aber auch, welche Aufgaben grad liegenbleiben oder nur mit halber Kraft getan werden können.

Ehrenamtliche sind ein weites Feld, weil es so viele Menschen gibt. Es gibt viel mehr potentielle Ehrenamtliche in einer Gemeinde, als unsere Schulweisheit sich träumen läßt, aber sie lassen sich nicht mehr rekrutieren. Das finde ich spannend und freu mich, dass wir im Bistum Essen mit der Rede vom neuen Ehrenamt dies im Blick haben. Wie genau Ehrenamtliche und Hauptamtliche mit den Mitteln der Projektentwicklung arbeiten können, kann nur verhandelt werden, wenn allen Beteiligten klar ist, was damit gemeint ist.

 

5. Sonntag in der Fastenzeit - eine unhaltbare Predigt

Jesus holt seinen toten Freund aus dem Grab. Wir haben das Evangelium des heutigen Sonntags am vergangenen Donnerstag beim Abendgebet in der Martinskirche in Volmarstein gehört. Die Reaktion war lebendig, ganz anders als in der Regelkirche. Sie können den Text online in leichter Sprache lesen.

Das Staunen

In unseren Regelkirchen geht uns das Staunen verloren. Wir kennen die Texte. Der ganze Gottesdienst wirkt so, als erwarte niemand wirklich was.

In der Martinskirche muss man als Lektorin mit allem rechnen. Der Text des Johannesevangeliums ist Theologie, aber er kommt erzählerisch daher und wird als solcher verstanden.

Wie geht das?

Die Zuhörer heute und die Zeugen damals staunen mit ganzer Seele. Wenn wir lange genug Zeit haben, merken wir, dass wir selber eine Hoffnung mit diesem Staunen verbinden. Ginge das auch bei uns? Keiner der Zuhörer in der Martinskirche hat gefragt, ob das nicht ekelig sei oder ob das sein müsse, weil Lazarus dann ja ein zweites Mal sterben müsse. Das sind die Fragen, die normale Menschen sich stellen.

Was wird aus unserem Staunen?

Wie geht es jetzt weiter?

Mit Walter Rupp könnte das Evangelium nach der Auferweckung des Lazarus so weitergehen: Der Lazarus wird wieder in seinen Posten im Kirchenvorstand eingesetzt, er kümmert sich wieder um alles, die Gemeinde ist erleichtert. Natürlich sind wir so bigott nicht, sondern feiern erst einmal ein Fest und freuen uns.

Bei Johannes ist das Evangelium in die freundschaftliche Beziehung der Geschwister Lazarus, Martha und Maria und Jesus eingebettet. Da hätte man erwarten können, dass Jesus den Lazarus in die Arme nimmt und sich freut und so weiter. Aber diese Szene erspart Johannes uns. Hier geht es um Theologie. Im Evangelium in leichter Sprache heißt es:

Jesus sprach:

Tut alle Sachen weg.

Und dann lasst Lazarus in Ruhe weggehen.

Ich höre die Prediger erleichtert aufatmen. Über sowas kann man reden: Legt die Binden des Todes ab, werdet lebendige Menschen. Predigtprosa. Theologie, die verständlich ist. Im Gottesdienst in der Martinskirche ist die Frage: "Was sagt Lazarus?" Meine Antwort darauf: "Lasst den erstmal in Ruhe. Ihr könnt euch ja vorstellen, was das für ihn für eine unglaubliche Sache war. Das muss er erstmal verdauen." Von Lazarus wird in dem Moment gar nichts erwartet. Aber die Menschen drumherum sollen die Sachen wegräumen.

Hier fehlen die konkreten Handlungsanweisungen

/Genöhle*/ Nach so einer unglaublichen Geschichte hätte man von Jesus ein paar erläuternde Worte erwarten können. Eine ausdeutende Predigt. Irgendwie sowas. /*Genöhle Ende/

An welcher Stelle der Kirchengeschichte ist uns der Sinn für diese Perikopen abhanden gekommen?

Wir und der Tod und das Leben - Ein Blick in das neueröffnete Hospiz in Witten

In zentraler Lage wurde am 31. März 2017 unter reger Beteiligung der Bevölkerung ein Hospiz eröffnet.

 

 

Alle, alle sind sie gekommen und da ich nicht heimisch in Witten bin, kann ich mich in Ruhe umsehen, denn niemand spricht mich an ihm Gewühle und auch ich finde niemanden zum Begrüßen. Zwei Schwestern aus dem nahen Karmelitinnenkloser sind gekommen. Sie sind beeindruckt. Wir plaudern ein bisschen. Eine Öffnetlichkeitsarbeiterin einer Komplexeinrichtung für Menschen mit Behinderung ist privat vor Ort. Wir tauschen Höflichkeiten aus. Sie äußert, was mir auch anderswo zu Ohren kam: Dies ist das erste Hospiz in dieser Gegend und wird darum als ein neues Zentrum der Hospizarbeit gesehen. Der Laie staunt (denn ihm fallen Bochum, Gevelsberg und Dortmund spontan ein; da sind auch Twitteraccounts diverser Hospize) und der Fachmann findet es auch, denn dieses Hospiz ist architektonisch und organisatorisch top.

 

Das steckt Musik Politik und Geld drin. Aber es geht ginge uns Christen bei Licht besehen um den Übergang ins Leben. Wer bleibt, muss Abschied nehmen. Wer stirbt, erwacht zum ewigen Leben. Das klingt deshalb fromm, weil wir in Deutschland nach Reformation und Aufklärung gerne das sagen, was sich nachweisen lässt. Darum ist das vorzeigbare Hospiz in Witten ausgestattet mit Zimmern nach dem neuesten Stand der Pflegwissenschaften und an Hygiene besteht kein Zweifel. Aber eine Philosophie oder gar christliche Haltung ist momentan nicht spürbar. Aus Leitlinien und Qualitätsmanagement kann man sowas auch nicht rekurieren. Leben kann nur gelebt werden. Man kann darüber nachdenken, es planen, analysieren, in Frage stellen, aber gelebt werden muss es und das bleibt ungewiss mit einem mehr als großen Rest an Unberechenbarkeit.

Bei der Eröffnungsfeier gab es reservierte Plätze. Es gab zu Beginn der Feierlichkeit keinen Platz mehr im Hospiz. Man hatte vorgesorgt und Übertragungsbildschirme in den Fluren rund um das Atrium/den Innenhof aufgestellt. Aber auch das reichte nicht. Auf dem großen Vorplatz, der mit einer Mauer von der Hauptstraße getrennt ist, saßen und standen viele Menschen. Man ging hin und her, sprach miteinander, wartete, suchte noch einen Weg hinein, hörte manchmal der Musik oder einem Redner zu. Es war alles nett und ruhig. Es gab Brautwurst und Currywurst und Getränke aus Plastikbechern. Das Wetter war Teil des heißersten Märzes seit Aufzeichnung der Wetterdaten. Da die Homepage des Hospizes nicht aussagekräftig ist (es gibt Flyer des Fördervereins), verlinke ich sie nicht.

Schönen Sonntag noch

 

 

4. Sonntag in der Fastenzeit - eine unhaltbare Predigt

Was man sonntags darf und was nicht, interessiert doch sowieso kaum jemanden, höchstens was im Veranstaltungskalender steht. Aber wenn die Kirchengebote uns sagen, wir sollten sonntags die Heilige Messe mitfeiern, finden wir das schon empörend. Wir lassen uns nichts vorschreiben. Wenigstens an dem Punkt halten wir es mit Jesus:

Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.

Die Sachlage ist heute eine andere als damals, da Jesus den Blinden heilte, wie es im Evangelium in leichter Sprache so sehr langatmig berichtet wird. Aber im Grunde läuft es auf dasselbe raus: Wir wollen alles richtig machen. Nicht nur, dass uns niemand Vorschriften machen soll, wir wollen auch von niemandem zur Rechenschaft gezogen werden. Es geht um die Schuldfrage, die sich heute ganz anders stellt als damals. Die Gesetzeslehrer der damaligen Zeit waren machtvoll. Die Kirche war durch die Jahrhunderte machtvoll und ist es teilweise heute noch. Sie kann sagen, ob ein Mensch dazugehört oder nicht. Dass jeder seines Glückes eigener Schmied ist, wie es der Volksmund unserer Breiten sagt, kommt für den Einzelnen erschwerend dazu. Die Menschen der alten Zeit konnten einen Zusammenhang sehen zwischen Erkrankung und Sünde. Wir Heutigen sehen einen Zusammenhang zwischen Gesundheit und Ernährung/gesunder Lebensweise. Der Eine wie der Ander steckt in einer schwierigen Situation. Wir wissen alle, dass wir das Leben nicht regeln können. Wir können das Unsrige beitragen, bekommen viel geschenkt, manche zu große Last und das wirkt sich aus.

Jesus begegnet dem Blinden und heilt ihn. Warum auch nicht? Er kann es. Gott sei Dank, dass Jesus den Blinden geheilt hat. Ich könnte es nicht. 7 Semester Religionspädagogik habe ich studiert und allerhand Zusatzqualifikationen erworben, aber heilen kann ich nicht. Lernen kann ich und singen. J.R.R. Tolkien beginnt sein Silmarillion mit einem Schöpfungsbericht. Die Schöpfung beginnt mit dem Gesang der Ainur. Der Schöpfer lehrt die Ainur, dass der gemeinsame Gesang die Quelle des Lebens ist. Einer dieser Ainur ist Melkor, der später der "gefallene Engel" sein wird. Er singt im Chor schöner als alle anderen, weil ihm etwas Neues einfällt. Er hat Lust am Schönen und am Gesang und möchte das Beste dazu beitragen. Noch ist er ein Teil des Ganzes. Er bleibt es, bis er besser sein will als die anderen. Ob er besser ist als die anderen, sei dahingestellt. Fakt ist, dass das Leben nur gemeinsam gelingt. Dieses Gemeinsame war in der Kirche jahrhundertelang eine unter sozialem Druck erzwungene Gemeinschaft. Im 21. Jahrhundert wär "der gemeinsame Gesang" aller Gläubigen das Gebot der Stunde. So wie die Kirche im Begriff Depositum Fidei lehrt: Die Summe aller Gläubigen kann nicht irren, denn was dem Einzelnen zu glauben anvertraut ist, ist allen gemeinsam. Praktisch umsetzen ließe sich das vielleicht demnächst mit einer Onlineabstimmung. Bisher war es nicht möglich, alle christlich Glaubenden der ganzen Welt in einer Sache zu befragen.

Jesus wird auch von manchen Juden als Lehrer verstanden, der, wie andere Lehrer, seine Grundsätze hat bei der Auslegung des Talmud. Was denken Sie, was Jesus zur Grundlage hat? Was sind meine Grundsätze?

Mitten in der Fastenzeit frage ich mich, was mir wichtig ist. Wie beantworte ich die Fragen, die sich täglich stellen? Welche Prioritäten setze ich? Bin ich das Maß meines Lebens? Kann ich es hinnehmen, dass Jesus seinen Maßstab an mein Leben anlegt? Was kann ich von Jesus lernen?

 

 

3. Sonntag in der Fastenzeit - eine unhaltbare Predigt

Jesus hat Durst und möchte Wasser trinken

So fängt es an im Evangelium für Leichte Sprache. Es ist immer die Gegenwart.

der Ort

Was dort nicht steht, weil es zu den schweren Inhalten gehört, ist der Ort: ein Brunnen im Land der Samariter und der Bezug zu dem Stammvater Jakob. Das lässt sich auch mit Luther und dem evangelisch-katholisch-Sein verdeutlichen. So geschehen in der Martinskirche beim Abendgebet in einfacher Sprache, ungeprüft und lebensecht. Es ist nämlich wie evangelisch und katholisch. Heute geht es nicht mehr bis aufs Blut, aber manchmal schon, wenn auch nicht bei uns. Trotzdem kann kein Evangelischer an der Eucharistie teilnehmen. Jesus geht mit solchen Problem auf seine Weise um und er darf das, weil er der Sohn Gottes ist. Er gestattet der Frau den Zugang zum lebendigen Wasser. Einfach so.

der Durst

Die Gemeinde in der Martinskirche besteht zur Mehrzahl aus Menschen, die die einfache Sprache gut verstehen. Es macht ihnen keine Mühe zuzuhören. Sie freuen sich. Warum geht es nicht auch in den normalen Sonntagsgottesdiensten so? Die zusammengeknechtete Katechetenrunde ist verärgert, sagt aber nicht, was ihr wichtig ist. Wir normalen Menschen sind angepasst und standardisiert höflich. Wird Zeit, dass sich das ändert. Wird Zeit, dass der Durst nach dem lebendigen Wasser uns an die Brunnen treibt. Wir dürfen das. Alle. Wir sind eingeladen.

ach, ja

Und wieder stellt sich die Frage, was wohl gepredigt wird landauf, landab. Die Inhalte ploppen bei mir auf, die ich Jahr für Jahr höre. Meinem geistlichen Begleiter fällt auch nichts mehr ein. Er nutzt einen Predigtenservice und modifiziert den ein bisschen.

der Wüstenplanet

Dem eingefleischten Science Fiction Fan wird der Wüstenplanet ISBN 13 9783453186835 eingefallen sein, in dem das lebendige Wasser nur von dem getrunken werden kann, der würdig ist. Alle anderen erleiden einen grauenhaften Tod. Trotzdem wird auch der Gestärkte Opfer von Verrat, also von Fakenews und Verschwörungstheorien.

reifen lassen

An diesem Wochenende im Jahre 2017 ist das Wetter mies. Es lädt zum Meditieren kann. Die Sonne wird in der kommenden Woche wiederkommen, der Frühling war in der vergehenden Woche bereits am Start. Frisch Gepflanztem tut der Regen gut.

 

2. Sonntag in der Fastenzeit - eine unhaltbare Predigt

Dieses Evangelium schaltet die Lichter der Zuhörer aus. Hoffen wir, dass eine Predigt folgt. Aber auch die kreist oft ein bißchen zu viel um Altbekanntes. Haben wir schon 1000 mal gehört. Verklärung kann auch die Leichte Sprache nicht spannend machen. Das ist viel zu esoterisch. "Esoterisch" ist mein Lieblingsaufreger, seit die Mutter eines Firmlings genau dieses Wort benutzte, um ihre Abscheu über die Firmvorbereitung in unserer Gemeinde zum Ausdruck zu bringen. Das sei doch alles esoterisch, meinte sie, und ich war so erschrocken, dass mir zu antworten nichts einfiel. Da hätte ich keine Hütten bauen wollen.

In der vergangenen Woche gab es eine denkBar in meiner ehemaligen Schulgottesdienstkirche, in der ich zum ersten Mal Messdienerin war. Zum ersten Mal seit 30 Jahren war ich wieder in dem Stadtteil, in dem ich zur Schule gegangen war. Ich war aufgeregt. Wenig habe ich wiedererkannt. Ich wusste nicht mal mehr, dass die Kirche so nah neben dem Kiosk steht, in dem ich mal 50 DM für Sammelbildchen ausgegeben habe. Das habe ich in Erinnerung, weil der Verkäufer das nicht richtig fand. So viel Geld, hatte er gesagt, und es mir dann doch verkauft. Schließlich geriet alles in Vergessenheit. In dem ganzen großen Stadtteil gibt es nichts, das mich begeistern könnte. Aus der ehemaligen Pfarrkirche wurde eine Eventkirche. Da kann man was draus machen. Aber wo sind die Orte, die mich in Bewegung gesetzt haben? Warum lebe ich? Warum bin ich immer noch unterwegs? Warum bin ich so heiß auf Bildung?

Am Ende der Woche kommt dann noch die E-Mail eines Vorgesetzten, der sich beim Team über mangelndes Engagement beschwert. Das hätte nicht sein müssen, denke ich, denn wir haben alle bis zum Anschlag unser Bestes gegeben und brauchen Zeiten und Räume der Unerreichbarkeit. Es muss möglich sein. Ich kann nicht immer voll konzentriert sein und reflektiert agieren. Ich bin nur ein Mensch. Wo sind - verdammt noch mal - die Orte, an denen einem nichts Schlimmes passieren kann?

Wenn ihr mir ein paar Minuten keinen Druck macht, kann ich mir in Ruhe vorstellen, wie es sein könnte, wenn Jesus mich und dich und ein paar andere mitnimmt auf einen Berg und was passiert, was niemand ahnen konnte.

 

1. Sonntag in der Fastenzeit 2017 - eine unhaltbare Predigt

An dieses Evangelium habe ich schlechte Erinnerung, weil die erste Beschäftigung damit eine rein intellektuelle war, die naturgemäß im Streit endete. So liest man die Heilige Schrift nicht. Aber das ist 40 Jahre her.

9 jugendliche Firmbewerber hatten sich vergangenen Freitag über Seelsorge in einer Komplexeinrichtung der Behindertenhilfe informiert. Sie stellten fest: Leichte Sprache ist gut zu verstehen, lässt aber Einiges aus. Dem besseren Verständnis wird der Inhalt geopfert und für die Jugendlichen ist Leichte Sprache anstrengend zu lesen. Es ist nicht ihre Sprache.

Im heutigen Evangelium sprechen der Teufel und Jesus über die Bibel und den Missionsauftrag auf ihre je eigene Weise: Der Teufel hat sich im Sinn, Jesus hat Gott im Sinn. Darum kann Jesus auf des Teufels Anwürfe entspannt und sicher reagieren: Er hat einen Standpunkt. Dessen ist er sicher.

Was ist mein Standpunkt?

Wenn wir morgens und abends auf Twitter gemeinsam beten, kommen die verschiedenen Lebensweisen von Christen und Nichtchristen zum Ausdruck. In den Fürbitten kann jeder von uns alles vor Gott bringen. Manchmal geraten wir am Rande in Diskussionen um den rechten Weg zum Glauben und die rechte Weise, Gott anzubeten. Da sind wir nicht anders als dieser Martin Luther, der sein Lebenlang gesucht hat: den richtigen Weg und den Austausch mit anderen.

Als eifrige Nutzerin des Internets sind mir Mobbing, Fakenews, Datenschutz und diese Dinge vertraut. Es gibt grundsätzlich 2 Möglichkeiten, damit umzugehen:

  • Man registriert sich, wo es nur geht, und verteilt Daten ohne Ende. Man müllt das Netz zu und die Follower und Freunde finden das, was sie interessant finden.
  • Man behält seine Daten bei sich, informiert sich gründlich, bevor man sich irgendwo registriert und ist Teil eines Netzwerkes, in dem man lernen kann. Was man kreativ erarbeitet, telt man mit anderen. Man gestattet anderen, die eigenen Texte, Bilder und sonstigen Daten zu nutzen.

Der Teufelsweg führt mit dem Mainstream. Man ist geborgen wie in einer vollgeschissenen Windel. Übersicht hat man sowieso nicht, aber das gute Gefühl, dazu zu gehören.

Der Weg, der meiner ist, ist kein Vorbild für andere, denn er ist mein Weg. So sieht es auch Jesus. Er tut das Unerwartete nicht aus einer Position der Übermacht, sondern weil es uns unerwartet vorkommt. Bei Licht besehen ist der Teufel am falschen Ort, zur falschen Zeit. Die drei Versuchungen, mit denen der Teufel Jesus konfrontiert, kommen uns einleuchtend vor. Wer die Geschichte nicht kennt, ist gespannt wie ein Flitzebogen auf die Reaktion dieses Jesus von Nazareth.

  • Wer kann schon gegen Brot sein?
  • Wer dürfte an der Allmacht Gottes zweifeln?
  • Wie könnte Macht etwas Schlechtes sein, wenn man damit Gutes tun kann?
  1. Wir alle müssen essen. Der Mensch kann nicht leben ohne Nahrung. Aber wir wissen aus Erfahrung, dass das alleine nicht genügt. Übergewicht. Weggeschmissenes Essen. Wir haben heute ganz andere Erfahrungen mit dem Essen und Trinken als der Teufel und Jesus. Die Sorge um das tägliche Brot haben wir mit Industrialisierung gelöst. Mittlerweile wissen wir: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Was ich zum Leben wirklich brauche, das will ich in dieser Fastenzeit ergründen.
  2. Ich bin getauft. Das war der Anker für Martin Luther. Wer zu Gott gehört, dem kann nichts passieren. Den Seinen gibt es der Herr im Schlaf. Wir lachen über solche Sätze und halten sie nicht für möglich. Eigentlich leben wir Christen im Großen und Ganzen wie alle. Wir schließen Versicherungen ab, lassen uns impfen, gehen regelmäßig zum Arzt. Was ist denn mit unserem Gottvertrauen? Ich will in dieser Fastenzeit mein Verhältnis zu Gott ergründen.
  3. Zum Thema Macht hat J.R.R. Tolkien in seinem Epos "Der Herr der Ringe" alles Wissenswerte geschrieben. Wer zur Macht greift, wird von ihr beherrscht. Aber es gibt einem ein gutes Gefühl von Sicherheit, wenn man ein Portenonnaie und Kreditkarten bei sich hat. Wir können Auto fahren. Wir trainieren irgendeine Sportart. Wir machen Dinge, um anderen zu zeigen, dass sie uns ernst nehmen müssen. In dieser Fastenzeit will ich ergründen, wie ich ohne Macht klarkommen kann.

+ Gelobt sei Jesus Christus