Mein junger Kollege hat nicht genug zu tun, sagt er. Das sagt eigentlich jeder neue pastorale Mitarbeiter in einer Gemeinde. Wie kommt das bloß?
Eine Gemeinde ist mittlerweile nicht mehr das, als was sie gilt. Die Anforderungen können nicht mehr bedient werden, weil Personal abgebaut wurde. Wenn ihr fertig seid mit eurem Gejammer, können wir uns an die Bewältigung unserer Aufgaben machen. Die kommen mir vor wie ein Haufen aus Platinen und ein Lötkolben. Ich habe keine Ahnung von all diesen Dingen. Sagenhaft. Da wird uns ein Programm zur Verfügung gestellt, mit dem wir unsere Gottesdienste verwalten können. Es funktioniert seit gut 3 Jahren nicht. Weil ich ja auch diese Zeiten habe, in denen mir Freiräume geschenkt wurden, habe ich Erfahrung mit Programmen und kenne Menschen, die Erfahrungen mit dem Programmieren von Programmen haben. Seit 3 Jahren sage ich, dass wir es alles einfacher haben könnten.
Paradebeispiel Erstkommunion
Jedes Jahr erhalten Familien Einladungen zur Vorbereitung auf den Empfang des Heiligen Sakramentes der Erstkommunion. Die Idee, 7jährige Kinder auf den Empfang des Sakramentes in einem Kurs vorzubereiten, entwickelte sich im Verlauf der Industrialiserung. Menschen wurden durch Umzug und Veränderungen beruflicher Art entwurzelt. Viele Menschen gerieten in Städte, die so viel größer und unübersichtlicher waren als die Orte, in denen sie aufwuchsen. Im Prinzip war aber jedem klar, was die Kommunion bedeutet - auch wenn nicht jeder ein Examen in Theologie hätte ablegen können.
Heute antworten Eltern pampig, wenn man sie nach der Bedeutung der Kommunion für ihr Leben fragt. Sie gehen selber nicht sonntags in die Kirche. Da gibt es nichts zu beklagen. Nur könnten wir langsam damit aufhören, immer wieder neue Konzepte der Erstkommunionvorbereitung zu entwickeln.
Eltern wollen das Beste für ihre Kinder. Darum fördern sie wie wild deren schulische Karriere. Experimente mit Ernährung, medizinische Vorsorge und abergläubischer Umgang mit den Sakramenten sind die Folge. Die Gründe für die Probleme, die wir in den Gemeinden während der Erstkommunionvorbereitung haben, liegen tiefer, viel tiefer.
Babylon 2.0
Wir können es noch mal versuchen mit unseren Gemeinden. Während der vorletzten Jahrtausendwende entstanden Karteikästen voll Adressen mit Anmerkungen. Man machte Hausbesuche. So lernten die Pastöre ihre Gemeindemitglieder kenen. Das steckt im kollektiven Gedächtnis fest. "Ich wohne jetzt schon drei Jahre hier und der Pastor hat mich immer noch nicht besucht", klagt ein Mann, der auf Nachfrage bekennt, nur an Weihnachten in die Kirche zu gehen. Ja, gibt es denn ein Bonussystem? Besucht der Pastor nur die guten Christen? Empörung brandet auf.
Postfaktisch ist auch die Beschäftigung pastoraler Kräfte mit den Anforderungen ihres religiösen Sozialraumes. Statt sich miteinander zu vernetzen und die Vielfalt im Team ins pastorale Feld zu bringen, mäkelt man rum, leidet und positioniert sich.
Wie wäre es , wenn wir unsere Kräfte verknüpften? Wir bräuchten ja bloß von Zeit zu Zeit zuzuhören, statt selber zu reden. Das gilt übrigens auch fürs Gebet.
Mein junger Kollege ist in unserer Pfarrei für Jugendarbeit zuständig. Er hat keinen Account bei Snapchat oder sonstwo. Ich an seiner Stelle wäre ausgelastet mit Aufgaben, die mir vor Augen liegen auf den Wegen zwischen Gemeinderäumen und Schulen und Kirchen und Sportplätzen und all das.
Wenn du dies kannst,
kann ich das,
und was keiner von uns kann, machen wir später oder schauen uns nach jemandem um, der es kann.
Frau X aus der Gemeinde Y, die nach 40 Jahren mit mulmigem Gefühl den einen oder anderen Posten als Ehrenamtliche abzugeben gedenkt, erzählt von einem Propst aus Gladbeck, der also sprach:
Sagt ein junger Pastor: "Uns steht das Wasser bis zum Hals und wir haben den Boden unter den Füßen verloren."
Darauf ein alter Pastor: "Ja, uns steht das Wasser bis zum Hals, aber Boden unter den Füßen brauchen wir nicht: Wir lernen schwimmen."
Wir schaffen es nicht, weil wir es nicht tun. Wir verzweifeln an unserer Unfähigkeit und der bösen Welt. Wir können nicht für alle da sein, nur für Viele, und das ist schon anstrengend genug. Wir gehen lieber ein paar Schnäpse trinken. Sonst fällt uns nicht mehr viel ein. Der Kollege ist doof. Die Eltern sind doof. Die Zeit ist zu knapp. Der Winter zu lang. Das Benzin zu teuer. Alles ist insgesamt postfaktisch.
Wie schon in den guten alten Zeiten, gibt es auf irgendeinem hohen Berg einen Elija und irgendein Nichtsbedeutender wird auf einmal berufen werden. Was mir wert und wichtig ist, lebe ich. Das ist wirklich so. Auf den Wegen, die ich gehe, begegnen mir Menschen.
Das Schwert, zu dem ich greife, führt mich zu dem Trainer, den es braucht, um dieses Schwert zu führen.
Dabei denke ich nicht mal, das wir das schaffen werden, weil ich gar nicht weiß, was das sein soll. Nur dass es wunderbar ist, ein Christ zu sein und Gott zum Lebensgefährten zu haben, das weiß ich. Das kann mir keiner nehmen.
Mit ein bißchen Chuzpe schleiche ich mich in die Kreise der Hacker und Underdogs. Sie teilen ihre Habe und ihr Wissen. Die Kinder dieser Welt sind immer noch klüger als die Verwalter des Evangeliums.
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