Die Flüchtlinge machen mich nervös. Mir geht der Gedanke nicht aus dem Kopf, von jetzt auf gleich aus dem Haus zu müssen. Mit Nichts ins Ungewisse. Frieren. Kein Schutz.
Meine Eltern haben als Kinder den Krieg erfahren. Das wirkt nach. Es ist schwer, wenn man lange hungern mußte und nichts einem wirklich gehörte und alle über einen bestimmen konnten, dem Leben zu vertrauen.
Ich lese Bücher über Dorothy Day und werfe Dinge weg oder verschenke sie. Etwas zu verschenken, macht froh. Etwas wegzuwerfen erleichtert. Irgendwann kam der Moment, in dem alles, was noch in meiner Wohnung ist, zu mir und meinem Leben gehört. Wie hat Dorothy Day es nur geschafft, so oft umzuziehen? Wie hat sie nur ... . Ihr Lebensbuch trägt den Titel "Die große Einsamkeit". So ganz falsch liege ich mit meiner Entwicklung nicht. Seelenverwandte finden sich. Manches ist mit 55+ ausgereift. Manche Fragen stellen sich nicht mehr. Ich fühle mich dadurch nicht unbeweglicher, sondern sicherer.
Nach langer Zeit treffen wir uns wieder: Helga Kleinkowski, die in Ghana und Essen lebt, und ich. Wir reden über die Zustände der katholischen Kirche und den Zustand der Welt. Helga ist 80+ und hat noch Einiges vor. Sie sieht, dass alles in Bewegung ist und fragt, ob nicht alles sich vermischt - auch die Religionen. Was bedeutet das für meine Beziehung zu Gott?
Der Bischof von Essen beauftragt mich, ab 1. Februar für Gemeindeseelsorge in der Pfarrei St. Peter und Paul, Witten - Wetter - Sprockhövel tätig zu sein. Da mit endet eine lange Phase der Tätigkeit für die Evangelische Stiftung Volmarstein. Nicht alles ist ungewiß, denn ich bin unkündbar angestellt. Der Austausch mit vielen freundlichen Mitmenschen macht mir klar, dass dieses Angestelltsein ein goldener Käfig sein kann - wenn man nicht 8 gibt. So eine gesicherte Stellung kann auch eine Chance sein.
Im Dezember beginnt eine dreimonatige Sabbatzeit.