Es ist nur, weil es bereits vor 50 Jahren hieß, es ginge nicht mehr so weiter, wenn sich nicht bald was ändert. Möglicherweise hat meine Generation sich daran gewöhnt und darum gar nicht vor, was zu ändern. Launige Sprüche und harsches Abkanzeln der Polbürgerschaft, neue Feindbilder, Reformation als Spielwiese.
Was erwarten Sie von mir?
Als ich 16 Jahre jung war, jagten mir die Berufsbeschreibungen des Arbeitsamtes mehr als Respekt ein und ich vermutete, dass ich keinem der Berufe, die zur Auswahl standen, gewachsen wäre. Darum machte ich Abitur und begann zu studieren. 50 Jahre später wird ein junger Kollege in meinem Team vom Chef mit einem Bereich beauftragt, für den er nicht qualifiziert ist. Ganz offensichtlich stören weder er noch der Chef sich daran. Er macht einfach. Kann sein, dass es ihm trotzdem so geht wie mir in den ersten Berufsjahren. Aber er zeigt es nicht. Wir reden nicht miteinander. Was von mir erwartet wird, kann ich nur raten. Man bezeichnet mich als hartnäckig.
Auch ich bin mit einem neuen Auftrag versehen worden, den ich mir selbst gegeben habe. Alle Vorgesetzten stimmen dem zu. Ressourcen werden mir keine zugeteilt. Aber man nickt freundlich. Möglicherweise kann ich irgendwie weitermachen bis zur Pensionierung. Das fällt mir schwer angesichts des Pflegestreiks und der Flüchtlinge. Es fiele mir auch so schwer. Jammer ich Ihnen zu viel?
Wir beginnen mit einer Klage
Die Gottesdienste des Weltgebetstages beginnen immer mit einer Klage. Die ganze Bewegung ist eingebettet in ein Netzwerk, in dem Engagierte ihre Zeit und Energie vergeuden und am anderen Ende der Fahnenstange Frauen aus einem Heft vorlesen und Geld einsammeln. Die Einen machen es mit Herzblut, die anderen aus Gewohnheit. Beides zusammen kommt den Projekten des Weltgebetstages zugute. Gäbe es nur das Eine, wäre es schlecht. Muss man deswegen den ganzen Weltgebetstag in die Tonne kloppen? Aber traurig ist es schon, wenn man Texte ohne Empathie vorgelesen hört. Dabei kann niemand wissen, ob Gewohnheit schon Lieblosigkeit ist. In unseren Breiten müssen die Omas die Enkel hüten, weil ihre Töchter arbeiten gehen müssen. Die gleichen Omas müssen das Gemeindefest vorbereiten, weil es nicht gelungen ist, den Staffelstab weiterzugeben. Es ist auch nicht gelungen, die Veränderungen unserer Lebensumstände in die Lebensumstände unserer Gemeinden einfließen zu lassen. Wir müssen im Klagen darauf achten, dass wir uns nicht in den Sumpf der Depression ziehen und bewegungsunfähig werden. Darum ist es gut und richtig, dass die DenkBar zum Thema Jugend im Bistum Essen eine Hurra-Veranstaltung war und auch so wiedergegeben wird. Es ist nämlich wirklich gut, dass es eine Handvoll neue Messdienerinnen gibt. Warum bleibt trotzdem ein ungutes Gefühl?
Wir reden nicht von dersselben Sache, wenn wir von Entwicklungsprozess reden
Noch ne Sitzung und noch ne Sitzung und noch ne Sitzung und lauter Protokolle und nix ändert sich. Weil ... ach ... wie soll ich sagen? Weil wir nicht das Gleiche unter Demselben verstehen. Die einen erhoffen sich Kontinuität, die anderen sehen ihre Chance auf Veränderung gekommen. Im 500. Jahr der Reformation erkennen die beiden sogenannten großen Kirchen, dass sie beide was von der Reformation haben. Die Vielfalt christlichen Glaubens ist ein Schatz, sage ich mal, aber das macht es nicht einfach zu handhaben. Die Liturgie mancher Kirche jagt mir Schauder über den Rücken und die Ideen einiger Mitchristen machen mir Angst, weil sie sehr faschistisch daher kommen. Hass und Streit und Diskurse und Müdigkeit. Alles in allem eine aufregende Zeit. Wer hätte gedacht, dass ein katholischer Priester von nicht geringem Renommee als Speaker am Leitungskongreß von Willowcreek 2018 teilnehmen wird? Die Artikel im aktuellen Willow Creek Magazin finde ich gruselig. Trotzdem habe ich mich angemeldet. Ich bin neugierig. Und ich habe Hoffnung. Und ich denke, dass es mehr darauf ankommt, voneinander zu lernen, miteinander zu reden, als Recht zu haben. Darum gefällt mir Willow Creek auch nicht. Die sind alle schön und authentisch und richtig. Mir gefällt meine zerbeulte Kirche viel besser. Wir sind uns nämlich nicht so sicher wie Willow Creek, dass wir das Richtige tun. Nur einige von uns wissen, was das Richtige ist. Wenn wir jetzt nur beieinander bleiben und uns nicht nochmal zerstreiten. Ja, wir müssten im 21. Jahrhundert Wege finden, den Kreis der Disputierenden zu erweitern. Die technischen Möglichkeiten dazu bestehen bereits. So könnten die schrumpfenden Kreise derjenigen, die die Gemeinden aufrecht erhalten, neue Stimmen hören. Getaufte, die sich für nicht so wichtig halten, könnten ihren Beitrag zur Veränderung leisten. Nicht das Moderne ist das Ziel, sondern die Mittel und Wege zu finden, wie wir unseren Glauben leben können - in Vielfalt, aus Glauben, in Freiheit, aus Gnade.
Leben in Fülle
Als die Flüchtlinge in unserer Stadt ankamen, war eine Lagerhalle ruckzuck voll mit allem, was Menschen für einen neuen Hausstand brauchen. WIr haben von allem zu viel und können ohne Zögern abgeben. Wir können ja auch was Neues kaufen. Die Abgehängten aber, die Hilflosen in unserer Gesellschaft, die Traumatisierten, die seit Jahren für ihre Würde kämpfen, die können nicht so viel essen, wie sie kotzen müssen. "Ich hab ja nichts gegen Flüchtlinge ... ." Für viele Menschen ist das Viele unserer Lebensumstände z u v i e l. Schade, dass grade jetzt Städte, Kommunen und Kirchen Geldsorgen haben. Dass es nicht allein am Geld liegt, ist schwer zu vermitteln. Dazu ist das Geld viel zu mächtig als Idee in unseren Köpfen. Tatsächlich gibt es Menschen, die Upcycling betreiben. Dazu braucht man wenig Geld, aber Zeit, Ideen, Austausch mit anderen und handwerkliches Geschick.
Wir können unser Leben ändern. Dazu brauchen wir Zeit. Wir müssen abseits unserer ausgetretenen, planierten Pfade treten. Wir müssen das Tempo drosseln. Auf die innere Stimme hören. Beten.
Erst als es gar nicht mehr ging, schrie das versklavte Volk zu Gott, der es gern auf den Weg schickte. Aber ... Wüste? Wir sind auf Fleischtöpfe gepolt. Die geben Sicherheit. Wüste? Feuersäule bei Nacht und Rauchsäule am Tag. Unendliches Gottvertrauen. Wasser aus einer Felswand. Sie hatten alles, was sie zum Leben brauchten, aber sie hatten nichts zum Anbeten und keine Fleischtöpfe. Und, Hand auf Herz, das Leben ging auch im gelobten Land in all seiner Fülle weiter. So ist das Leben. Wer etwas anderes sagt, lügt.
Ich werde jetzt mal für 40 Tage zur Seite treten, das Tempo drosseln, auf Manna vom Himmel vertrauen (wirklich vertrauen, nicht Gott versuchen!). Die Fülle ist nämlich nicht unbedingt da, wo ich gewohnheitsmäßig bin. Kann sein, dass es nicht weitergeht, weil ein Esel im Weg steht.
Leseproben wegen "Wir müssen reden":
- t.b.c.
Danke für die Ausführlichkeit! Klingt wirklich nach liebevoll pfiffig geplantem Event. Und trotzdem bleibts schwer mit dem "Gespräch", oder?
Ute Köhler, Sep 14 2017 on twitter.com