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Vom linken Niederrhein ins Ruhrbistum
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Erstkommunionvorbereitungschallenge

Das Ganze bleibt immer unvollendet, aber wir müssen dran, weil es allerorten Unmut gibt. Den Eltern ist es zu wenig feierlich, die Gemeinde (Sonntagsgottesdienstbesucher) findet, dass früher mehr Kinder in der Heiligen Messe waren und wir Hauptamtliche wissen uns keinen Rat. Zeit für eine Klausurtagung, von der ich hier berichte. Die beiden Hauptverantwortlichen hatten es vorbereitet und Dr. Nicolaus Klimek dazugeladen, der im Bistum Essen für Katechese verantwortlich ist. Zeitungsauschnitte (Berichte von Kommunionfeiern und von Stress mit veränderten Konzepten), Mappen, Material lagen aus, Getränke und Süßkram standen bereit.

Ein Bewegungslied

Wir beginnen mit einem Lied, das kindgemäß poppig klingt. Die Bewegungen dazu zeigen das Gucken und Grüßen, sie betonen das Gemeinsame und Fröhliche. Die Einen finden es affig, die anderen finden, dass es dem Rücken nutzt. Bereits zu Beginn unseres Klausurtages wird deutlich, dass es bei Erstkommunion um ein Erwachsenenthema in kindgerechter Form geht.

Erzählen von der eigenen Erstkommunion

Wir kommen zögerlich ins Erzählen. Das sind wir nicht gewohnt. Wir können referieren und um Standpunkte kämpfen. Irgendwann fließen die Worte und es kommt Erstaunliches zutage.

  • Person A hat Erfahrungen mit der Liturgiereform. Der Kirchenraum änderte sich und die Hostie wurde als Mundkommunion gereicht.
  • Person B war zur Frühkommunion.
  • Bilder lagen auf dem Tisch.
  • Person C war konfirmiert worden und berichtete sowohl davon als auch von ihrem Wechsel zur katholischen Kirche.
  • Texte wurden auswendig gelernt.
  • Darf man die Hostie kauen? Eine Frage, mit der sich Viele von uns damals beschäftigt hatten. Wir hatten ja gelernt, dass es der Leib Christi ist.
  • Kirche bietet Struktur und damit Sicherheit. Aber warum ist das so?

Das Konzept

Natürlich referiere ich hier nicht das Konzept - Konzepte gibt es genug und keines ist besser als ein anderes -, aber was bei unserem Klausurtag an dieser Stelle geschah.

Die beiden Verantwortlichen stellen das aktuelle Konzept vor und wir diskutieren über die Erwartungen der Eltern und Kinder an die Erstkommunionvorbereitung. Wir verstehen, dass das jedes Jahr anders rüberkommt, darum ist es sinnvoll, projektbasiert zu arbeiten. Tendenziell kann man sagen, das nach Spiritualität gefragt wird. Fragwürdig wird unser bisheriges Tun durch lange Schulzeiten und Freizeitstress und die allgemeine Fragwürdigkeit von Kirche. Man nimmt nicht mehr alles hin, was einem vorgesetzt wird, andererseits möchte man aber auch nicht einbezogen werden. Was machen eigentlich die Hauptamtlichen? Auch wir im Pastoralteam, sehen nicht viel von dem, was die anderen tun. Aus unserem eigenen Tun können wir ableiten, dass viel Kraft in Erklärungen fließt, denn es kann kirchliche Sozialisation nicht vorausgesetzt werden. Einfacher wäre das Gespräch, wenn wir das kollaborative Arbeiten gewohnt wären. Es ist schwer, über die Erstkommunionvorbereitung zu sprechen, weil wir zu schnell in kontroversen Auseinandersetzungen sind, statt zuzuhören, mitzudenekn und dann erst zu reden. Wir reden im Twitterformat und das ist gefährlich. Immer dann, wenn jemand einen Gedanken ausfalten kann, manchmal auch stolpernd, wird ein Gespräch daraus. Nachfragen klingen nicht mehr wie Anwürfe, sondern dienen dem Verständnis.

Bedingungen

Was wie ein Klagegesang beginnt, wird zu unserer Schatzkiste:

  • längere tägliche Schulzeiten
  • Berufstätigkeit der Eltern
  • Freizeitstress
  • Frage nach dem Sinn des Lebens
  • Anfrage an Kirche / Positionierung von Kirche
  • Glaube - Sitz im Leben ?
  • Erwachsenenkatechese ? !
  • Große Pfarrei mit kleinen Gemeinden
  • Schätze im Glauben erkennen (Schriftgespräch gibt es bereits; was können wir noch tun, um Schätze im Glauben zu entdecken?)
  • Vergebung ist Thema in der Gesellschaft (Beichte, Buße)
  • "Wir müssen uns das Glauben zu eigen machen, wir sind selbst verantwortlich."

Wie können wir Vorraussetzungen schaffen, die für alle Menschen Zugänge zum Glauben ermöglichen? Es ist alles so vorrausetzungslos. Jedes Sakrament steht für sich. Es gibt keinen Prozess des Glaubens in der Gemeinde. Was beim einzelnen Menschen geschieht, können wir nicht wissen. Es gibt keine Kultur des gemeinsamen Glaubens außerhalb der Liturgie. Zack, steht wieder einer da und will was, irgendein Sakrament.

Wir Hauptamtliche fragen uns: Was ist unsere Heimatgemeinde? 
Das ist nicht immer die, für die wir tätig sind. Manchmal sind es auch die Menschen, mit denen wir im Glauben unterwegs sind.

Mittagspause. Im Restaurant stehen wir um den Tisch und beten gemeinsam, bevor wir uns am Buffett bedienen. Es ist nichts als ein gemeinsames Essen, eine Mahlzeit, Nahrungsaufnahme, Genuß und Gespräche.

Grundlegende Überlegungen

Nach der Mittagspause bietet Dr. N. Klimek uns seine Grundlegenden Überlegungen an:

  • Nur wer sich aus der Komfortzone traut, gerät in die Wachstumszone. Aber wer zuviel Schwung dabei hat, landet schnell in der Panikzone.
  • Erste Frage: "Was Warum machen wir?"
  • GOTT ist da. Er möchte dein Heil.
  • Nicht wir machen, sondern er schenkt.
  • Achtsamkeit: enge Zeitraster, gemeinsame Feier, Eltern einbeziehen, Lebenswelten.
  • Nicht Leute in Kirche einpassen, sondern Kirche so gestalten, dass Leute Gott entdecken können.
  • Angebot auch über Vorbereitung hinaus.

Wir entwickeln Thesen aus der Frage "Warum machen wir das, was wir machen"? Daraus entwickelt sich ein neuer Schritt:

Eigentlich

Wir sollten die Erwachsenentaufe und das Katechumenat stärker in den Blick nehmen. Herr Klimek macht uns auf die Arbeitshilfe Nr. 160 der Deutschen Bischofskonferenz aufmerksam: "Erwachsenentaufe als pastorale Chance", in deren Vorwort es heißt: "In der christentümlichen Gesellschaft der Vergangenheit wurde das Christsein von Generation zu Generation „vererbt“. Wir sprechen von sozial-kulturellen bzw. pädagogischen Formen der Weitergabe des Glaubens; beide verlieren immer mehr an Bedeutung. Die Vorzeichen, unter denen Menschen heute dem Glauben begegnen, verändern sich: vom Erbe zum Angebot." Wir erkennen, dass Vieles in der Erstkommunionvorbereitung dem Disziplinieren dient. Es muss bei der Feier alles klappen. Wir fragen uns, welches Alter das Richtige für einen Zugang zum Glauben ist. Wir sind uns einig, dass wir mit den Sakramenten flexibler umgehen können müssten. Die Reihenfolge und das ererbte Gemeindeleben können nicht hinterfragt werden, wenn wir uns nicht über den Boden im Klaren sind, auf dem wir stehen. Mit manchen Veränderungen jagen wir die Erstkommunionvorbereitung in die Panikzone. Das Angebot geistlicher Begleitung für alle Menschen wäre eigentlich sinnvoll, aber es gibt auch Angst vor Überfordeurng unserer Kräfte. War es nicht Ignatius von Loyola, der drauf bestannt, dass man eine Sache so vorbereiten müsse, als hinge sie von einem ab, aber wenn man sie durchführe, müsse man sich klar sein, dass alles von Gott abhängt. Das klingt in den Augen mancher Gemeindemitglieder larifari-esoterisch. Wir müssen unser Tun besser kommunizieren.

Mögliche Wege der Erstkommunion

Wie machen wir jetzt weiter?

Es gibt diese Pflichtveranstaltungen: Heilige Messe am Sonntag, Elternabend (nicht nur zur Information), Gruppenstunden für Kinder, Weggottesdienste, Familienmessen (1 x im Monat), von den Kindern gestaltete Elemente in der Sonntagsmesse.

Es gibt frei wählbare Projekte wie Krippenspiel, Kinderbibeltage, Ausflüge.

Bis jetzt standen 4 mögliche Strukturierungen der Gruppenstunden zur Debatte: 4 Samstage von 10 bis 17 Uhr oder monatlich ein Samstag oder sonntags 14 tägig nach der Messe oder wöchentlich.

Wir diskutieren.

Ein Vorschlag aus der Praxis einer anderen Gemeinde wird eingebracht: Es gibt Sonntagsmessen mit Erklärungen für Eltern und Kinder statt allem anderen. Erst nach der Erstkommunion kommt mehr für die, die wollen.

Ein anderer Vorschlag: Es gibt nur Weggottesdienste als Vorbereitung. Flankierend werden Sternsinger, Themenstunden, ... angeboten und das gesamte Spektrum der Gemeinde wird für Eltern und Kinder geöffnet. Nach der Erstkommunion werden alle weiter zu Weggottesdienstes eingeladen. 

tbc

Dann war die Zeit auf einmal um und einige mussten schnell zum nächsten Termin und andere blieben mit Geschirr und Besteck zurück. Die Verantwortlichen für die Erstkommunionvorbereitung werden ein Konzept aus den Ergebnissen dieses Klausurtages "stricken" und (wenn es nach mir ginge auf der Pfarreihomepage veröffentlichen; dann werde ich es hier verlinken) wir haben die nächste Erstkommunionvorbereitung bereits vor der Brust.

 

Teile und herrsche in Babylon

Sie können jetzt eigentlich einfach die Überschrift vor Ihrem geistigen Auge hin und her bewegen, dann müssen Sie diesen ganzen Artikel gar nicht lesen.

Nachdenken über Babylon

Was mich an dieser Stadt fasziniert ist die Sprachverwirrung. Bereits as Kind hatte ich beim Lesen mancher Romane Probleme, die Konstruktion von Konflikten zu verstehen.

Warum reden die nicht einfach miteinander?

Heute weiß ich, dass das so einfach nicht geht. Da bremst die Erkenntnis, dass Wissen Macht ist. Heute macht es mich nur noch sprachlos, wenn ein Kollege im Team sagt, er könne jetzt noch nichts zu dieser oder jener Entwicklung sagen, das sei noch nicht spruchreif, aber der Chef und er seien schon im Gespräch mit jemandem, der wahrscheinlich diese Aufgabe übernehmen wird (die uns alle betrifft). Ein uraltes Menschheitsproblem bricht sich Bahn. Es hat was von Erbsünde. Aber davon wollen wir nach der Aufklärung nichts mehr wissen.

Das Gegenteil von Babylon erlebe ich in Unkonferenzen oder BarCamps. Niemand dreht sich weg, niemand lacht dich aus, niemand ermüdet vor deinen Fragen. Was du zu sagen hast, hört man sich an, wenn es einen interessiert und nicht aus Höflichkeit. Darum habe ich schon in vollen Sessions geredet und in leeren Räumen gestanden. Die Regeln sind klar. Sie werden gleich zu Beginn der Veranstaltung veröffentlicht - wenn das nicht bereits auf den Wegen des Internets geschehen ist. Entscheidend ist: Es gibt keine Teilnehmer, ohne dass sie gleichzeitig Teilgeber wären.

Teilen und herrschen

In der Babylon-Baustelle unserer Zeit wird das Prinzip des Teilens und Herrschens zur Perfektion getrieben. Bereichsleiter bezeichnen Mitarbeiter als "fremdelnd" und halten das für normal. Planungen können nicht umgesetzt werden, weil "momentan ein Mitarbeiterengpass" besteht. Diese und andere Floskeln saugen die Energie aus der Mitarbeiterschaft. Alle wissen, dass sie es bis zur Rente schaffen, wenn sie jetzt nur nicht renitent werden. Nachprüfen lässt sich das Handeln der Leitungsebene nicht. Keine ihrer Äußerungen kann überprüft werden. Aber das Leitbild reizt dann doch alle Erfahrenen zu bitteren Lachanfällen.

Werbung wird zu Kunst erhoben. Absprachen haben keinen Wert. Öffentlichkeitsarbeit gilt als Journalismus.

Wenn nun die Mitarbeiterschaft sich solidarisierte? Dazu müssten alle aus ihrer Deckung kommen. Und die Leitung macht es in dem Fall wie mit den Fasces: Sie nimmt sich die Mitarbeiter einzeln vor. Sie rupft den haltbaren Stamm auseinander und der lässt sich auseinanderrupfen.

Freiheit bringt nur der Tod

Das Begreifen des Todes führt zu einer Neubesinnung auf die Werte, die Motten und Rost nicht zerfressen können. Wenn ich erst einmal begriffen habe, dass ich nichts halten kann, ... aber das hilft erst einmal überhaupt nicht, das macht nur Angst. Mit dieser Angst rechnen die Mächtigen in Babylon. Im Grunde arbeiten wir alle auf einer Baustelle. Die den Tod ausgeklammert haben, können gezielt manipulieren. Die den Tod vor Augen sehen, können sich ihren Ängsten stellen. Wer keine Kraft hat, kann mit der Solidarität der Arbeiterschaft rechnen. Wer neue Ideen hat, kann sie mit anderen teilen. Wer den Tod vor Augen hat, fürchtet sich nicht mehr vor den Unterdrückern.

Teile und lebe

Meine Erfahrungen will ich mit dir teilen.

Deine Erfahrungen interessieren mich.

Manchmal bin ich zu müde um zuzuhören. Das sollst du verstehen, damit du nicht denkst, ich wolle dir nicht zuhören.

Meine Lebenszeit ist endlich.

Meine Hoffnung ist unerschöpflich.

Meine Lust zu Lernen kennt keine Grenzen.

Manches, das mir helfen sollte, im Leben zurecht zu kommen, ist eine Last. Ich träume von Lernorten, an denen jeder Mensch alles lernen kann, was von Interesse ist, und an dem Menschen ihr Wissen teilen. Dann müsste ich nicht all die Ordner und Bücher und Eingabegeräte mit mir rumschleppen. Dann wäre meine Wohnung ein Schlafplatz. Wir könnten uns an öffentlichen Orten treffen oder allein sein wie wir wollen. Wir müssten nicht mehr diese riesigen zugebunkerten Häuser haben, in denen Menschen leben, die Angst haben, ausgeraubt zu werden.

Jeder darf alles.

Keiner darf zu jeder Zeit alle.

Niemand kann genötigt werden, etwas zu tun, dass ihm zuwider ist.

Alles ist möglich, weil wir teilen.

 

Manchmal möchte man mit der Faust auf den Tisch hauen, aber ...

Zuviel Gesprächsführung und Seelsorgeausbildung machen einen dull. Da hält man lieber mal die Klappe, wenn wieder jemand ausfallend wird, weil es ermüdet, die Zusammenhänge dieser Wutausbrüche zu erkennen und zum hundertsten Mal erklären zu müssen. Zumal nicht jeder wirklich von den Fleischtöpfen Ägyptens weg will.

Zu meinen morgendlichen Lektüren beim Kaffee gehört Twitter. Man weiß, worum die Welt sich grade dreht, wenn man durch ist. Manchmal bleibe ich an einer Aussage hängen, weil sie so stimmig oder herausfordernd ist. Oft schweige ich auch da.

Heute geht es um Ehe für alle. In Berlin steht die Welt unter Wasser. Die Sintflut wird als Bild bemüht. Das ist nicht immer witzig gemeint. Manchmal komm ich einfach nicht dahinter, wie etwas gemeint ist. Katholiken schreiben dies und das bei Twitter. Die einen stehen klar bei den offiziellen Äußerungen der Kirche. Ich herzte einen Tweet, der meine Überzeugung formuliert:

Ich bin entsetzt über die offiziellen Äußerungen meiner Kirche zum Thema Ehe für alle.

Aber die Tweets zeigen auch, dass das Thema Hass im Netz angegangen werden muss. Evangelische Mitchristen schlagen vor, doch die Kirche zu wechseln. Das ist noch nicht Haß, aber zumindest unüberlegtes Mitreden. Auch hier zeigt sich wieder die Vielfalt unserer Kirche. Es ist nicht leicht zu erklären, was katholische Kirche eigentlich ist - auch den eigenen Leuten nicht. Dass es Klarheit gibt und wir doch davon ausgehen, dass der Geist weht, wo er will, und Gott unverfügbar ist. Darum sollten wir die urjüdische Tugend des Lehrhauses pflegen und miteinander disputieren. Wir sollten kämpfen, als müsste jeder und jede Recht behalten. Wir sollten dies tun, indem wir einander zuhören und die Standpunkte der Mitmenschen verstehen lernen. In allem sollten wir niemals aufgeben, einander die Liebe schuldig zu bleiben. Diese Gewißheit sollte jeder von uns im Herzen tragen.

Aber nicht jedem Mitmenschen ist das Lehrhaus genehm. Verkaufsoffener Sonntag. Burgerbude. Freizeitpark. Wohlstand. Dabei sein. Dazu gehören. Es gibt eine Fülle an Fleischtöpfen, die wir gern umtanzen - dabei sollte klar sein, dass dieses "wir" aus Menschen besteht, die nicht in allem einer Meinung sind. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass Menschen an der Bushaltestelle in zufälligen Gesprächen immer einer Meinung sind? Wahrscheinlich sind sie es gar nicht. Aber es geht auch nicht um das Gesprächsthema, sondern um das Dazugehören, das Wir-Gefühl. Wenn ein Thema nicht klappt, wird schnell gewechselt. Wenn jemand in eine Außenseiterrolle gerät, hört er einfach zu, statt seinen Standpunkt zu verdeutlichen. Das Lernen ist gesellschaftlich nicht verankert. Das Dazugehören aber wohl. In dieser Gefahr steht auch unsere Kirche in Deutschland.

Wo die Kirche in der Öffentlichkeit einen Standpunkt einnimmt und sich klar positioniert, muss der Einzelne in ihr immer noch seinen Standpunkt suchen und einnehmen. Das sollte klar sein.

 

Kanzelpredigten sind nicht mehr länger sinnvoll

Wir können Menschen heute auf zielgruppenorientierte Weise erreichen. Aber Kirchengebäude sind noch so konzipiert, dass ein Altarraum erhöht ist, weil er von allen gut gesehen werden soll. Die Kanzel ist in manchen Kirchen noch ein wenig höher als der Altar. Das Wort musste wegen der Akustik von oben gepredigt werden. Die von Luther propagierte Dreiheit aus Kanzel, Altar und Orgel führt falsch verstanden zu Disziplinierung der Gemeinde statt zum Verständnis der Liturgie.

Wenn heute ein Priester an die Kanzel tritt oder auf die Kanzel steigt, predigt er sein Wissen und Glauben einer Gemeinde, die aus Individuen besteht, die verschiedene Vorrausetzungen mitbringen: Lebenserfahrung, Alter und Bildungsstand machen es unmöglich, einer Sonntagsgemeinde zu predigen. Ist es anders, stimmt mit der Gemeinde was nicht.

Ein Blick zurück

Die ersten Christen nahmen noch an Gottesdiensten ihrer Ursprungsgemeinschaften teil, bevor sie sich ganz dem Christentum zuwandten und aus und in ihm lebten. Weil es zunächst noch keine Kirchen gab, versammelte man sich in Wohnhäusern. Menschen mit Status und Räumlichkeiten konnten ihr Hab und Gut zur Verfügung stellen. So entstanden Kirchen, die die Tradition der jüdischen Gemeinden immer mit sich führen.

Die ersten Kirchen waren Versammlungsräume mit Altar. Man pflegte Wort und Gesang und die Erinnerung an das Opfer von Jesus Christus. Daraus entsteht die Liturgie, die Menschen miteinander feiern. Diese Liturgie entspricht der Zeit, in der sie leben. Beispielsweise hieß es lange Zeit: "Die Messe lesen." oder "Die Messe hören." Heute sagen wir: "Die Messe feiern."

Ein Blick in die Kirchengeschichte zeigt, dass Kirchengebäude in unterschiedlicher Gestalt erkennbar sind. Viele Menschen suchen beeindruckende Kirchen wegen ihrer Architektur auf. In den gleichen Gebäuden finden sich Menschen zum Gebet. Wenn heute ein Priester in einer katholischen Kirche am Mikrofon steht und predigt, steht er an einer Kanzel und redet wie ein Vortragender. Die Menschen in der Gemeinde hören zu. Aber lernen sie auch? Das Lernen ist als Lebensform in einer Entwicklung, die die Politik nur schwer mitvollziehen kann. Unser Schulsystem ist genau so in der Kritik wie unsere Formen des Kirchenlebens. Beides ist schwer zu verändern, weil es alten Gewohnheiten entspricht, die uns zwar belasten, aber an aktuelle Erfahrungen des Lernens und Glaubens können wir als Kirche oder Schule nicht leicht anschließen. Wer aus Interesse lernt, kann sich heute selber informieren. Das ist sicherlich auch eine Frage des Temperatemtes und des Bildungsstandes. 

Ein Blick nach vorne

Christen finden an allen Orten Plätze oder Gebäude, die Möglichkeiten zu Gebet und Gottesdienst bieten.

Informationen sind für alle zugänglich. Lernen ist für alle möglich.

Man nimmt nicht mehr an Veranstaltungen der Kirche teil, sondern gestaltet interessegeleitet mit, so dass alle Menschen sich als lebendiger Teil der Kirche erfahren können.

Predigt im 21. Jahrhundert wird zu Mission

Bald redet niemand mehr von oben. Bald antwortet niemand mehr, ohne gefragt zu worden zu sein. Wer früher predigte, macht sich heute auf den Weg in eine unübersichtliche Gemeinde und sucht Gemeindemitglieder (und alle Menschen) in ihren Lebensräumen auf. Dabei wird deutlich: Die Lebensräume des ehemaligen Predigers sind die Lebensräume aller Mensch (Wir gehen alle einkaufen, wir machen alle Sport, wir sehen alle fern, ... .) . Der Begriff Mission verliert seinen Schrecken, denn Mission ist eine Notwendigkeit, die aus Begeisterung und Liebe wächst. Niemand wird bedroht oder eingefangen. Kirche wird attraktiv, weil sie eine Kirche der Menschen ist. Kirche motiviert, weil sie mit einem erfrischten Dasein Menschen zum Erfragen der Botschaft motiviert.

 

"Als ich noch ein kleines Mädchen war"

Manche Sätze gehen einem nicht mehr aus dem Kopf. Die Überschrift klingt harmlos, aber in meiner Erinnerung ist sie ein echter Aufreger. Unser Klassenlehrer sagte diesen Satz immer dann, wenn es etwas zu erklären gab und wir ihm zu träge waren. Wir waren eine Mädchenklasse und ich nahm alles wörtlich. Eines Tages ging ich zu ihm und fragte, wie aus einem Mädchen ein Junge wird. Die Frage war nicht ganz ernst, aber seine Antwort interessierte mich. Damals war ich so ungefähr 12 Jahre alt. In Erinnerung bleibt mir, dass er nach einer Antwort suchte, die originell sein sollte. Sie war leider so substanzlos, dass ich sie nicht behalten habe. 

 

Erde in der Sonne und ein paar Pflanzen ohne Namen.Wie ändern sich Dinge und wie kann man Dinge ändern?

Wie lebt Leben und wie kann man Entwicklungen beeinflußen?

Wie viel Beeinflußung ist möglich oder auch nötig?

Wann ist ein Eingreifen geboten und wann ist es zweifelhaft?

Wer hat das Recht, Veränderungen an Entwicklungen durchzuführen?

Wer beurteilt, ob Dinge gut laufen?

Was ist das Ziel?

Warum machen Veränderungen Angst?

Unter welchen Umständen machen Veränderungen auch Lust?

 

Wir waren jung

Manche Sätze reitzen zu dummen Witzen. "Ich war jung und brauchte das Geld." Jungsein wird mit allerhand Dubiosem und Unerhöhrtem in Zusammenhang gebracht. Man lässt der Jugend ihren Lauf ("Da gibt es ein Lied." Auch so ein Satz unseres Klassenlehrers). 

Wenn wir nicht mehr jung sind, sind wir ... was? Was sind wir mit 55+? MILF? Scheintot?

Wir waren jung und hatten das Leben vor uns. Jetzt sind wir mittendrin (egal, wie jemand rechnet: ich bin mittendrin). Zu meinen Ideen und Sehnsüchten kommt meine Lebenserfahrung. Dazu gehört die Erfahrung wechselnder Heilsversprechen. Dies und das und jenes und immer wieder, Bücher, Kurse, Etiketten auf bleibenden Problemstellungen. Mit großer Begeisterung bin ich in Konzepte eingestiegen und kann nicht sagen, dass ich nun desillusioniert sei. Es lebt sich gut mit Lebenserfahrung. 

Leben, bewegen und sein

Von jetzt aus kann ich Einiges über mein Leben schreiben. Immer noch ändert sich das Eine oder Andere. Das wird meinen Mitmenschen nicht anders gehen. Die Frage ist nur, ob wir diese Entwicklungen erleiden oder mitgestalten. Beispielsweise ist die Entwicklung im Bildungswesen unseres Landes rasant, aber leider nicht für alle. Und sie wird unterschiedlich wahrgenommen und bewertet. Darum treffen Politiker Entscheidungen, die von anderen nicht verstanden werden. Das Etikett Inklusion wird mittlerweile in der Behindertenszene abgelehnt. Behindertenseelsorger zerbrechen sich den Kopf über ihre Berufsbezeichnung, weil sie längst aus der Schräglage Helfende <-> Hilfsbedürftiger raus sind. Seelsorge auf Augenhöhe wird aber nicht von allen verstanden. Komplettieren Sie selbst.

Zeiten, in denen ein Mensch lebt, sind immer wild, denn das Leben ist permanent in Entwicklung, nie bleibt etwas wie es ist, immer lernen wir. Es ei denn, wir strebten Nichts als dem Tod entgegen. Wer jemand ist, sollte nicht in Frage gestellt werden dürfen von einem anderen Menschen. Außer es handelt sich um eine gesellschaftliches Problem (Gewalt, sozialer Zusammenhang, sowas eben). Aber wenn ein Kollege sagt, er sei fremdbestimmt, frage ich mich schon, was er all die Jahre in seinem Hirn veranstaltet hat. Kann man sich als fremdbestimmt empfinden, wenn das Leben an sich wild und unplanbar ist? 

Ich bin gespannt, wie sich alles entwickelt. Dabei sitze ich keineswegs unbeteiligt und unanreifbar rum und ich bin mir im Klaren darüber, dass meinen Einflußmöglichkeiten Grenzen gesetzt sind. Das ist gegeben. Das ist so und ich bedauer das nicht, denn auch allen anderen Menschen sind Grenzen gesetzt. Die anderen und ich bewegen das soziale Gefüge in dem wir leben. Dass wir Christen kein Unkraut zupfen sollen, ist schwer auszuhalten in manchen Situationen, aber eine gute Idee, weil sie entlastet. Wer ich bin, läßt sich nicht ändern. Was ich kann, kann ich durch Lernen erweitern. Das Leben aber bleibt immer größer als ich - ob ich ein Mädchen bin oder ein Mann.

 

Blockchain ist doch eigentlich nichts anderes als die digital gewordene Macht der Tradition.

 

Diözesantag der Gemeindereferenten und Gemeindereferentinnen im Bistum Essen 2017 - heiß, durstig und lustig

Seit mehr als 30 Jahren bin ich nun Gemeindereferentin im Bistum Essen, aber so was Entspanntes habe ich unter uns Kollegen und Kolleginnen selten erlebt. Man kommt im Kardinal-Hengsbach-Haus an und gerät in das übliche Wiedersehensszenario. Es gibt Kaffee, Tee und Kekse. Innerhalb weniger Minuten bilden sich Grüppchen, die frei fließend inneinander übergehen. Wir nennen uns "Berufgsgruppe". Niemand wird gemoppt. Niemand ordnet alles. Wir wussten ja im Vorfeld schon, wie der Ablauf ist, so dass alle zur rechten Zeit in der Aula sind.

Pastoraler Beruf in Zeiten der Umstrukturierung

An mehreren Stellwänden werden Fragen gestellt und Impulse gegeben, die unsere Gespräche auf berufliche Fragen fokusieren. Wir schreiben unsere Anliegen darauf. Später werden wir mit Klebepunkten die Aussagen werten.

Die Gespräche sind teils Smalltalk, teils sehr labil. Es bedarf hoher Empfindsamkeit, wenn man sich einer Gruppe nähert, neugierig auf Themen und neue Inhalte. Aber wir sind alle Seelsorger oder Seelsorgerinnen. Wir gehen sorgsam miteinander um. Schön auch: die Blickkontakte - kaum wiederzugeben in Worten.

Vor mehr als dreißig Jahren konnten nur Frauen im Bistum Essen Gemeindereferentinnen werden. Es gab zwar schon Männer in der Ausbildung, aber ... ach, die sollten doch besser Priester werden.

Aus unserem Sprecher/innen/kreis sind alle Anwesenden in die Organisation des Diözesantages involviert. Unsere Diözesanreferentin, Frau Ingeborg Klein, die üblicherweise "den Hut aufhat", ist noch bei einer Sitzung der K IV der DBK (aber das wäre ein weiterer Blogbeitrag). 4 Kolleginnen bilden ein Moderatorinnenteam. Die Geschmeidigkeit des Ablaufes ist verblüffend. Sie gehen freundlich und zugewandt umher. Man merkt gar nicht, dass sie den Prozess steuern. 

Gemeinsam beten

Da Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck anwesend ist, feiern wir gemeinsam eine Heilige Messe. Dazu gibt es nicht viel zu schreiben: Das ist wohltuend. Das ist Gebet.

Aber das bereits ist etwas Erwähnenswertes. Wie so einiges andere. 

Zum Beispiel dies: Ein Messdiener in kurzen Hosen. Ja. Das mag den einen oder anderen reizen. Aber bedenken Sie: Es war heiß am 29. Mai 2017 und wir waren unter uns und der junge Mann sah nicht anstößig aus, er war sauber und angemessen gekleidet. Die kurzen Hosen fallen nur deswegen auf, weil sie eine Veränderung bildlich verdeutlichen: Jede/r von uns ist so wie er /sie ist da. Es gibt eine neue Qualität von Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeiternehmer und unter uns Christen.

Das Gespräch im Plenum

Das Leitungsteam moderiert die Ergebnisse der Pinnwände. Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck nimmt Stellung. Es ist der Montag nach dem Kirchentag in Berlin-Wittenberg. Wir sprechen über Befürchtungen (bei denen wir beginnen) und dem, was uns gut tut. Was brauchen wir? Diensthandys und Dienstwagen. Zu dem Zeitpunkt sind sowohl Frau Klein als auch der Personalchef Herr Domvikar Dr. Kai Reinhold anwesend. Natürlich wird gelacht, aber es wird auch über die Zusammenhänge dieser Anfrage gesprochen: Im Sauerland gibt es weite Wege. Mit unseren Handys sind wir ständig erreichbar. Wie grenzt man sich ab. Bischof Overbeck macht uns Mut. Er stehe hinter uns, sagt er. Eine Kollegin interveniert, es sei immer die Situation vor Ort, die wir zu bewältigen haben. Bischof Overbeck bestätigt das. Er habe Vertrauen in unsere Fähigkeiten. Wir haben ja wirklich persönlich ausgeprägte Charismen und seien dennoch Generalisten. Er skizziert für uns die Zeiten der ungleichzeitigen Umbrüche und betont noch mal, dass er für uns ansprechbar ist.

Im Plenum brauchen manche Kollegen und Kolleginnen ausufernde Ich-Aussagen. Es geht im Sehen und Gesehen werden. Es geht um Positionierung und Karriere. Wir sind aber ein pastoraler Beruf. Das wird bei diesem Diözesantag sehr deutlich.

Aus eigener bitterer Erfahrung nimmt unser Bischof zu Social Media Stellung. Jeden Abend nimmt er sich 1 Stunde Zeit dafür. Das ist mehr als die meisten von uns sich nehmen und weniger als die Strategen der Social Media an Zeit dafür haben. Ich bin die einzige, die twittert. Heute morgen ist mir das etwas peinlich, denn ich dominiere die Timeline des Bischofs, aber das wird sich bald ändern. Das ist ja das Gute an diesem schnellelbigen Medium. Eine andere Kollegin hat Fotos auf unsere Facebook-Seite gepostet. Das wurde von 12 Personen gelikt (bis jetzt).

Ein neues Wort macht die Runde: Wut-Katholiken. Wir kauen das Wort öffentlich durch. Jemand hat es aufgeschrieben. Es ist traurig, aber es muss benannt weden. Wir brauchen Raum und Zeit, mit dem Phänomen umzugehen. Allgemeine Ratlosigkeit. Wir arbeiten dadran.

Es geht natürlich auch um den Sozialraum. Kirche ist nicht mehr Gemeinde für die meisten Christen. Auch unser Beruf ändert sich entsprechend. Wir kauen das durch. Beispiele gelungener Dialoge zwischen politischer Gemeinde und katholischer Gemeinde machen die Runde. Ökumene kommt zur Sprache. Wir alle haben Erfahrungen damit, dass Menschen ihre Wege selber suchen. Bei den Abgehängten finden wir die Wut-Katholiken. Bei den kulturell Kompetenten finden wir Menschen aller Glaubensrichtungen und Agnostiker, die mit uns unterwegs sind. Seltsam, dass das so gesagt werden kann. Mir kommt es richtig vor, denn ich erlebe es so.

Normale und Vegetarier am Grill

Ob es beim Grillen zum Abschluß auch was für Vegetarier gibt? Es bildet sich eine lange Schlange, alle mit Teller, Gabel, Messer, Serviette in der Hand. Auch das Abendessen ist sorgfältig vorbereitet. Der Domvikar verteilt die Getränke an den Tischen. Er findet, er sei immer noch Diakon. Grüppchen bilden sich nicht als Form des Ausschlußes, sondern als Notwendigkeit. Man will ja essen. Da muss man sitzen. Wir sitzen irgendwie beieinander. Die Raucher sitzen am Rand. Es gibt tatsächlich Grillkäse.

Unsere Gespräche drehen sich weiter um Sozialräume, Kirchenentwicklung, Sozialräume, Spiritualität und alles. Eine Kollegin erzählt von einem komplett neuen Stadtteil, der in ihrer Pfarrei auf einem stillgelegten Industriegelände entsteht. Ein Kollege erzählt von der Sozialkirche, die nicht ganz so wird wie geplant, weil Ehren- und Hauptamtliche und die Entwicklungen nicht so steuerbar sind wie erwartet. Ich komm gar nicht dazu, von Inklusion zu erzählen, weil das alles ja schon Inklusion ist.

 

Die digitale Kirche ist auch nichts anderes

Was ist eigentlich dieses "digitale Kirche"? Smartphones, Jugendliche mit zukünftigen Nackenwirbelproblemen, leere Kirchen, ... oder doch eher etwas kompetentes, zukunftsorientiertes, erfreuliches? Der Begriff taucht bei Twitter immer wieder auf. Aus Zusammenhängen in Blogs kann ich nicht erkennen, was genau gemeint ist.

Fledermäuse im öffentlichen Personennahverkehr

Die Nerds in katholischen Kreisen Hauptamtlicher betonen gerne, man könne Jugendliche mit Aufgaben am Computer betrauen. Ich bin da nicht so sicher. 

Letztens packte ich eine Frage computertechnischer Art in eine längst verstaubte WhatsApp-Gruppe ehemaliger Firmlinge, die nur noch lebt durch Meldungen, wer die Gruppe verläßt oder tapferer Veranstaltungshinweise meinerseits. Auf meine Frage antwortete eine Dame aus der Gruppe, sie habe leider keine Ahnung. Sie ist eine Nette. Wir sind auf Instagram verknüpft, haben aber ansonsten nichts miteinander zu tun. hm. Wirklich nicht? Sie geht nicht in die Kirche. Ich sehe sie selten. Ihre Bilder sind schön. Sie postet viel über gemeinsame Erlebnisse. Tolle Sache. Wir haben wohl doch was miteinander zu tun, wenn sie doch antwortet.

Im Linienbus. Ein ehemaliger Firmling derselben Gruppe steigt ein. Er steckt im Abi. Neuerdings immer mit so Riesenkopfhörern auf den Ohren. Wir grüßen einander immer freundlich. Nicknick. Fertig. Er lehnt sich lässig an den Handlauf. Ich sitze weiter hinten und schaue in die Gegend. Auf einmal setzt er sich in Bewegung, kommt, setzt sich neben mich und schwups sind wir in einem Gespräch über mein technisches Problem. Er erzählt von seinen Projekten und ich zeige ihm einen Blogbeitrag zu dem Thema, das mich bewegt. Er will sich das mal angucken. Tschüsstschüss. Ich bin verblüfft.

ein Schiff, das sich Gemeinde nennt

Wenig später sitze ich mit Freifunkern in der Kneipe. "Ach, du bist von der Kirche?" Einer outet sich als ehemaliger Pfadfinder und erzählt ganz begeistert von einem ehemaligen Pfarrer, der ganz plötzlich starb und seitdem geht alles bergab. Ich muss mich jetzt zusammenreißen. Ich könnte jetzt eine Art Presseerklärung unserer Pfarrei abgeben, aber verzichte darauf. Man redet und redet und ich bin schon wieder verblüfft. Man erzählt von der Flüchtlingshilfe, für die man in Gemeindehäusern Chromebooks und Router bereitstellt. Traurig nur: die Router werden nur für den Deutschunterricht angestöpselt. Ansonsten ist da ein roter Punkt auf der Karte. Was soll ich sagen? Die Gemeinde, von der die Rede ist, leidet an ihren Hauptamtlichen. Der junge Mann hat recht: sie gehen alle weg. Es wäre vorausschauend von dem verstorbenen Pfarrer gewesen, wenn er seine Pastoral mit Ehrenamtlichen ausgestattet hätte und nicht alles auf sich fokusiert worden wäre. Er ist weg. Wie als wär beim Jenga der falsche Stein gezogen worden. Im Kreis der Freifunker verabrede ich, mit den Kollegen zu reden. Aber auch den Freifunkern würde ich gerne eine neue Sicht auf Kirche vermitteln: Wir sind Kirche. Das muss in die Köpfe und die Herzen. Einerseits soll alles modern sein, andererseits soll der Pastor es richten. Wie kann man das ändern?

Der junge Mann erzählt von seiner Oma, die nicht mehr in die Kirche kann und die bei einem gestreamten Gottesdienst bestimmt voll abgehen würde.

Bestattung

Der Kollege trägt sein schwarzes Ringbuch bei sich und ich mein Tablet. Er findet es seltsam, dass ich ein Tablet auf einer Beerdigung bei mir trage. Ich nicke nur. Es braucht alles Zeit. Die Familie, die ihren Sohn, Bruder, Cousin zu Grabe trägt, interessiert sich nicht für die Mittel und Methoden. Ein bißchen hängen sie immer noch an bestimmten Zeichenhandlungen. Aber sie sehen weder das Ringbuch, noch das Tablet.

Das neue Gotteslob

Ein Messdienerleiter im Rollstuhl kann wegen langwieriger Erkrankungen schon länger nicht in die Kirche kommen. Sein Nachbar zieht ihn auf, er müsse doch in die Kirche, schließlich sei er katholisch. Mindestens 7 Jahre war er jetzt nicht mehr in einer katholischen Messe. 

Wir treffen uns, um das neue Gotteslob anzuschauen. Wir sehen uns das Inhaltsverzeichnis an und finden das Glaubensbekenntnis in 2 Versionen an 2 verschiedenen Stellen. Wir sehen "Tagzeitenliturgie" und ich erzähle von Twitter, Twaudes und Twomplet und er sagt, er bete lieber persönlich. Ich versuche zu erklären, wie wir bei Twitter beten, aber er geht nicht darauf ein.

Später denke ich, dass das Digitale an der Kirche genau so wie das Eucharistische ihm nicht geläufig sind. 

Inklusion

Für Menschen mit Behinderung ist das Internet genau so wie die moderne Computertechnik eine Chance zur Teilhabe an einem gesellschaftlichen Leben, das noch nicht von allen in unserer Gesellschaft als Normalität empfunden wird. In meinem Verständnis von dieser digitalen Kirche gibt es kein Richtig oder Falsch. In vergleichbarer Weise kann jeder Mensch an Twitter teilnehmen. Wenn ich einen Tweet lese, lese ich diesen Tweet. Von dem, der ihn tippte oder einsprach, weiß ich nur, was er preisgibt von sich. Es ist mir gewöhnlich auch nicht wichtig. 

Inklusion und Teilhabe fokusieren auf die Gesamtheit der Gesellschaft.

Die digitale Kirche steht als Begriff neben evangelische Kirche, katholische Kirche, Freikirche, ... und meint doch etwas ganz anderes.

Was mir gut an Inklusion und Teilhabe und digitale Kirche gefällt, ist ihre Unfaßbarkeit und Weitläufigkeit, das Interesse, die Begeisterung, das Verwischen der Hindernisse zwischen Teilnehmern und Teilgebern. Beiden ist eher eine Haltung eigen als eine Definition.

Zum Weiterlesen:
 

Hier und dort: Ressourcen und Verwundbarkeit in multilokalen Lebenswelten
Ici et là: Ressources et vulnérabilités dans la vie multilocale

Schwabe Verlag Basel http://www.schwabe.ch/schwabe-verlag/buecher/buchdetails/hier-und-dort-ressourcen-und-verwundbarkeit...

 

Werdet ihr mich im Februar 2018 bei Willowcreek treffen?

Gestern gab es ein inspirierendes Gespräch mit einer Kollegin. Wir leiden beide an dem Beharrungsvermögen unserer Gemeinden und müssen uns Zeit und Energie vom Pfarreientwicklungsprozess stehlen lassen. Aber wir wissen auch, dass es ohne Gemeinden nicht geht. Nur so unbegeistert und grundbelastet? Wir kamen auf Willowcreek. WILLOWCREEK? Werfe ich mich hier grade den Freikirchen an die Brust? Ist das eine Verzweiflungstat?

Es geht um Leitung

Leitung ist absolut nicht mein Thema. Denn Leitung ist in unserem Bereich immer noch Führung ohne Blick auf die Gemeinde, wie ich sie verstehe.

Was ist Gemeinde? Gemeinde sind die, die da sind. Oder ist Gemeinde die, die getauft sind? Oder ist Gemeinde noch größer? Gemeinde ist gewachsen. An meinem Wohnort begann die Gemeinde in einer Baracke. Langsam sterben die, die die Kirche aufbauten. Die Nachgewachsenen hatten nicht Hand angelegt. Sie fanden alles fertig vor. Alles? Nein, natürlich nicht. In unserer Gemeinde gibt es Menschen, die mitgestalten. Wir sind durchaus sprech- und sprachfähig. Beispielsweise das Gemeindezentrum: Es wurde gegen den Widerstand der damaligen Verantwortlichen mit viel Eigenleistung umgesetzt und ist eines der schönsten Orte für Feiern und Feste und Zusammenkünfte in großen Gruppen.

Es gibt bei uns viel gewachsene Beziehungen, die Gemeindebeziehungen sind. Vieles an Hilfeleistung wird nicht von der Leitung gesteuert, sondern geschieht einfach. Man kennt sich. Man teilt Freud und Leid. Das funktioniert prima. Aber leider nicht für alle. Etwa 5% unserer Gemeinde sind mehr oder weniger bewußt identifiziert und aktiv. Die Mehrheit leidet an der Umstrukturierung. Sie halten Priestermangel und Geldmangel für die Ursachen des Desasters. Sie finden Gemeindereferentinnen zu teuer und fragen sich, ob die Gelder wirklich gut verteilt sind und wissen, dass "die da oben" am Ende doch entscheiden.

Avanti Dilletanti

Derweil gibt es längst Bewegung. Aber bewegen Sie mal einen Hochseedampfer. Wir sind ja kein Kanu.

Es gibt eine Überfülle an Angeboten in unserem Bistum, die den Gemeinden helfen können, ihren Weg zu finden. Wie bringt man das zusammen: die Angebote und die grundfrustrierten 5%?

Frau Dr. Maria Lüttringhaus hat in einer Veranstaltung aus 12 Personen ihre Erfahrungen vermittelt und im Austausch Themen und Gespräche zum Vorschein gebracht, die der Antipädagogik und der Sozialraumentwicklung geschuldet sind. Wer nicht dabei war, liest viele Worte. Wer dabei war, wird erst einmal lächeln. Denn wo bekommen wir in den Gemeinden sonst so viel Selbstvertrauen vermittelt? Wo erleben wir, dass wir Arbeiter und Arbeiterinnen im Weinberg sind (wenn es schon das Arbeiten als Bild sein muss) und nicht Sklaven in Ägypten? Avanti Dilletanti ! Ganz so dumm sind wir ja nicht. Laßt uns loslegen und in vertrauensvollem Austausch miteinander unsere Erfahrungen fruchtbar werden lassen für die ganze Gemeinde.

Übrigens: Wir brauchen nicht mehr Angebote. Wir müssen rausfinden, was wir in der Gemeinde brauchen. Alle, nicht viele.

Soll ich oder soll ich nicht?

Aus der Überfülle meiner Bücherregale kommen immer wieder Sachen in das Mercator-Bücherregal vor dem St. Marien-Krankenhaus in Witten oder vor der Alten Oper ist Essen. Ich schaffe Platz. Der muss nicht neu gefüllt werden. Ich überlege, was ich brauche. Brauche ich Willowcreek? Welche Weiterbildungen brauche ich? Welche Menschen brauche ich? Wie teile ich meine Zeit ein? Christian Hennecke wird 2018 bei Willowcreek sprechen. Nanu. Das ist doch mal was.

Ich bin unentschlossen. Denn ein weiteres Spielfeld brauche ich nicht und niemand muss versuchen, mir den Stein der Weisen zu verkaufen. Den gibt es nämlich nicht. Aber dass Willowcreek sich als lernend versteht, ist mir sympathisch. Dass Melinda Gates dort auftritt gefällt mir nicht. Es ist überhaupt eine Riesenveranstaltung. Bisher konnte mir niemand erklären, was daran gut sein soll. Teilnehmer sagten mir, es sei toll, ich müsse einfach mal kommen. Unklug, wenn so ein Mensch mir erklärt, dass Jesus keine Kinder getauft habe ( -> die katholische Kirche macht ziemlich viel falsch ). Ich will nicht raus aus der katholischen Kirche. Sie ist meine Kirche. Jesus hat keine Kinder getauft, weil das Sozialgefüge des Glaubens bei den Erwachsenen beginnt.  (Aber das wäre ein anderes Thema.)

Wir haben ein reichhaltiges Angebot an Fortbildungen im Bistum Essen. Außerdem gibt es die und die und die und Kirche² und eigentlich habe ich schon genug. Aber wenn es Menschen gäbe, mit denen ich mich in Dortmund im Februar 2018 treffen könnte bei Willocreek, wär ich dabei.