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Wittener Heimatlied

Und dann fand ich noch einen Zeitungsausschitt, ohne Datum und Quelle:

Witten, Sehnsucht meiner Träume,
wie bist du an Schönheit reich,
auf der Bredde wachsen Bäume
und auch auf dem Bürgersteig.
Kappus wächst auf deinen Plätzen,
Häuser wechseln mit der Flur.
O, wie bist du hoch zu schätzen,
schönes Witten an der Ruhr!

So wie dein Stationsgebäude
sah ich keins, mein Leben lang,
und der Urquell jeder Freude
ist der Bahnübergang.
Deines Gussstahlwerkes linder
Odem weht durch die Natur,
glücklich sind doch deine Kinder,
schönes Witten an der Ruhr!

Doch nicht nur die Oberfläche
ist dein Rum und deine Zier,
hochberühmt ist deine Zeche,
ist "Franziska" unter dir.
Sinkt der Boden unter 'n Füßen,
zeigt das Haus des Risses Spur,
dann lässt dich "Franziska" grüßen,
schönes Witten an der Ruhr!

Auch an Sonn- und Feiertagen
ist 's in Witten gar zu nett,
denn nach Dortmund, Bochum, Hagen
löst man ein Retourbillett.
Abends kehren die Soliden,
eh noch zwölfe schlägt die Uhr,
wiederum in deinen Frieden,
schönes Witten an der Ruhr!

Auf den Straßen pflegt 's bisweilen
ungemütlich zu sein,
hergelauf'ne Kerle keilen
sich des Nachts den Schädel ein.
Alles Böse, alles Schlechte
kommt von auswärts zu dir nur,
denn in dir gibt 's nur Gerechte,
schönes Witten an der Ruhr!

Sollt ich einstmal von dir scheiden,
wie ertrüg ich solchen Schmerz?
Müsst' ich deine Mauern meiden,
brechen würde mir das Herz.
Eins nur möchte ich erreichen,
dass, wenn abläuft meine Uhr,
in dir meine Knochen bleichen,
schönes Witten an der Ruhr.

Laut dem Zeitungsausriss von einem Unbekannten Dichter, um 1900

 

 

5. Sonntag in der Fastenzeit - eine unhaltbare Predigt

Jesus holt seinen toten Freund aus dem Grab. Wir haben das Evangelium des heutigen Sonntags am vergangenen Donnerstag beim Abendgebet in der Martinskirche in Volmarstein gehört. Die Reaktion war lebendig, ganz anders als in der Regelkirche. Sie können den Text online in leichter Sprache lesen.

Das Staunen

In unseren Regelkirchen geht uns das Staunen verloren. Wir kennen die Texte. Der ganze Gottesdienst wirkt so, als erwarte niemand wirklich was.

In der Martinskirche muss man als Lektorin mit allem rechnen. Der Text des Johannesevangeliums ist Theologie, aber er kommt erzählerisch daher und wird als solcher verstanden.

Wie geht das?

Die Zuhörer heute und die Zeugen damals staunen mit ganzer Seele. Wenn wir lange genug Zeit haben, merken wir, dass wir selber eine Hoffnung mit diesem Staunen verbinden. Ginge das auch bei uns? Keiner der Zuhörer in der Martinskirche hat gefragt, ob das nicht ekelig sei oder ob das sein müsse, weil Lazarus dann ja ein zweites Mal sterben müsse. Das sind die Fragen, die normale Menschen sich stellen.

Was wird aus unserem Staunen?

Wie geht es jetzt weiter?

Mit Walter Rupp könnte das Evangelium nach der Auferweckung des Lazarus so weitergehen: Der Lazarus wird wieder in seinen Posten im Kirchenvorstand eingesetzt, er kümmert sich wieder um alles, die Gemeinde ist erleichtert. Natürlich sind wir so bigott nicht, sondern feiern erst einmal ein Fest und freuen uns.

Bei Johannes ist das Evangelium in die freundschaftliche Beziehung der Geschwister Lazarus, Martha und Maria und Jesus eingebettet. Da hätte man erwarten können, dass Jesus den Lazarus in die Arme nimmt und sich freut und so weiter. Aber diese Szene erspart Johannes uns. Hier geht es um Theologie. Im Evangelium in leichter Sprache heißt es:

Jesus sprach:

Tut alle Sachen weg.

Und dann lasst Lazarus in Ruhe weggehen.

Ich höre die Prediger erleichtert aufatmen. Über sowas kann man reden: Legt die Binden des Todes ab, werdet lebendige Menschen. Predigtprosa. Theologie, die verständlich ist. Im Gottesdienst in der Martinskirche ist die Frage: "Was sagt Lazarus?" Meine Antwort darauf: "Lasst den erstmal in Ruhe. Ihr könnt euch ja vorstellen, was das für ihn für eine unglaubliche Sache war. Das muss er erstmal verdauen." Von Lazarus wird in dem Moment gar nichts erwartet. Aber die Menschen drumherum sollen die Sachen wegräumen.

Hier fehlen die konkreten Handlungsanweisungen

/Genöhle*/ Nach so einer unglaublichen Geschichte hätte man von Jesus ein paar erläuternde Worte erwarten können. Eine ausdeutende Predigt. Irgendwie sowas. /*Genöhle Ende/

An welcher Stelle der Kirchengeschichte ist uns der Sinn für diese Perikopen abhanden gekommen?

Wir und der Tod und das Leben - Ein Blick in das neueröffnete Hospiz in Witten

In zentraler Lage wurde am 31. März 2017 unter reger Beteiligung der Bevölkerung ein Hospiz eröffnet.

 

 

Alle, alle sind sie gekommen und da ich nicht heimisch in Witten bin, kann ich mich in Ruhe umsehen, denn niemand spricht mich an ihm Gewühle und auch ich finde niemanden zum Begrüßen. Zwei Schwestern aus dem nahen Karmelitinnenkloser sind gekommen. Sie sind beeindruckt. Wir plaudern ein bisschen. Eine Öffnetlichkeitsarbeiterin einer Komplexeinrichtung für Menschen mit Behinderung ist privat vor Ort. Wir tauschen Höflichkeiten aus. Sie äußert, was mir auch anderswo zu Ohren kam: Dies ist das erste Hospiz in dieser Gegend und wird darum als ein neues Zentrum der Hospizarbeit gesehen. Der Laie staunt (denn ihm fallen Bochum, Gevelsberg und Dortmund spontan ein; da sind auch Twitteraccounts diverser Hospize) und der Fachmann findet es auch, denn dieses Hospiz ist architektonisch und organisatorisch top.

 

Das steckt Musik Politik und Geld drin. Aber es geht ginge uns Christen bei Licht besehen um den Übergang ins Leben. Wer bleibt, muss Abschied nehmen. Wer stirbt, erwacht zum ewigen Leben. Das klingt deshalb fromm, weil wir in Deutschland nach Reformation und Aufklärung gerne das sagen, was sich nachweisen lässt. Darum ist das vorzeigbare Hospiz in Witten ausgestattet mit Zimmern nach dem neuesten Stand der Pflegwissenschaften und an Hygiene besteht kein Zweifel. Aber eine Philosophie oder gar christliche Haltung ist momentan nicht spürbar. Aus Leitlinien und Qualitätsmanagement kann man sowas auch nicht rekurieren. Leben kann nur gelebt werden. Man kann darüber nachdenken, es planen, analysieren, in Frage stellen, aber gelebt werden muss es und das bleibt ungewiss mit einem mehr als großen Rest an Unberechenbarkeit.

Bei der Eröffnungsfeier gab es reservierte Plätze. Es gab zu Beginn der Feierlichkeit keinen Platz mehr im Hospiz. Man hatte vorgesorgt und Übertragungsbildschirme in den Fluren rund um das Atrium/den Innenhof aufgestellt. Aber auch das reichte nicht. Auf dem großen Vorplatz, der mit einer Mauer von der Hauptstraße getrennt ist, saßen und standen viele Menschen. Man ging hin und her, sprach miteinander, wartete, suchte noch einen Weg hinein, hörte manchmal der Musik oder einem Redner zu. Es war alles nett und ruhig. Es gab Brautwurst und Currywurst und Getränke aus Plastikbechern. Das Wetter war Teil des heißersten Märzes seit Aufzeichnung der Wetterdaten. Da die Homepage des Hospizes nicht aussagekräftig ist (es gibt Flyer des Fördervereins), verlinke ich sie nicht.

Schönen Sonntag noch

 

 

Das Werbeplakat: Kirchliche Sprachmuster im entchristlichten Abendland

Das Werbeplakat: Kirchliche Sprachmuster im entchristlichten Abendland

Werbung ist eine Fundgrube, so wie dereinst Volkslieder oder Omas Sprüche. Es ist immer mehr dran, als wir ahnen. Die gelbe Schrift wird in der Bedeutungslosigkeit versinken. Die Inspirationsquelle der Werbelinie wahrscheinlich auch. Aber der ::esel:: bleibt als Charakter, bis die Evolution etwas Besseres gefunden hat. Dieses Plakat könnte ich als Vorlage für eine Predigt nutzen.

Ist Ihnen aufgefallen, dass in dem Werbespruch die Kirche durch Schampus ersetzt wird?
Die Sakramente bieten stets Anlaß für Schampus. Man geht da ganz unverkrampft mit um, seit einen niemand mehr in den Beichtstuhl zwingen kann. Also: warum nicht? Mothers little helper. Ein wenig spießig sieht die Familie aus, aber vielleicht ist doch der Vater (wenn er der Vater der Kinder ist) der Hausmann und die Mutter geht arbeiten. Es verändert sich grad so viel. Eigentlich verändert es sich bereits seit der Aufklärung. Manche merken es grade erst. Aber wir sind viel zu cool, uns das anmerken zu lassen.

(Mir fällt grade ein: haben Sie die Uhr umgestellt? Das ist auch so ein Thema wie das Wetter in England. Heute lief mir nicht einer über den Weg, der nicht auf den Lippen gehabt hätte, dass er drauf verzichten könne. Aber das setze ich in Klammern, weil es nur heute und morgen Thema ist.)

Was hat der Esel da eigentlich zu suchen?
Werbegrafiker sind im Grunde auch Künstler und können darum mehr als sie wissen. Das weiß ich von Pierre Bourdieu, weil ich in der besten Buchhandlung meines Universums ein Buch über die Symbolische Revolution gekauft und anschließend gelesen habe. Lesen Sie es. Besser hätte ich es auch nicht schreiben können.

Eines noch: Die Rechenaufgabe erinnert mich an eine Zeile aus einem Gedicht von Jörg Zink:

Sie haben die Rechnung ohne den Wirt gemacht.

Sein Buch Wie wir beten können erschien zum ersten Mal 1970 und wurde immer wieder neu aufgelegt - zuletzt 2015 im Herder-Verlag. Zink meinte, man könne die Zeitung als Gebetsvorlage nehmen. Seine Anleitungen zum Gebet sind bei weitem nicht so verschwurmelt wie unsere heutigen.

Das Plakat hing am Bahnhof in Witten. Immer wieder ein inspirierender Ort.