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Wenn Sie nichts verändern wollen, suchen Sie doch einfach die Schuldigen

Man macht mich verantwortlich. Die Neujahrsgrüße des Bischofs müssten eigentlich in gedruckter Form hinten in allen Kirchen unserer Pfarrei ausliegen, aber das ist nicht der Fall. Der Überbringer der Nachricht ist der Täter und gehört geköpft. Warum kann ich nicht einfach die Klappe halten? Warum muss ich unbedingt erzählen, dass es Broschüren gibt von diesem beeindruckenden Bischofswort? In einer unserer Kirchen wurde es von dem verantwortlichen Priester so vorgelesen, dass es in seinen Duktus passt. Die gedruckten Expemplare waren nicht da, sonst hätte man was zum Vergleichen gehabt. In einer anderen Kirche wurde es so langweilig vorgelesen, dass alle es zu lang fanden. In einer weiteren Kirche wurde es anständig und aktivierend verlesen, leider waren die gedruckten Exemplare nicht da. Und so weiter und so fort.

Wen auch immer sie fragen, ob man noch an das Neujahrswort des Bischofs kommt, sie bekommen immer eine voraussehbare Antwort:

  • Keine Ahnung, wo man die bekommt.
  • Ich bin nicht verantwortlich.
  • Wieso? Liegen hinten keine mehr?

Ich gehe sowieso allen Gremienmitgliedern mit meiner penetranten Art auf die Nerven. Aber unser Bischof hatte nunmal ganz deutlich gegen Machtmissbrauch geredet. Also muss ich die missliche Lage der unerreichbaren gedruckten Broschüren ansprechen. Böse Blicke. Was soll 's.

Eine Frau kommt auf dem Kirchplatz auf mich zugerauscht. Ob ich ihr so ein Bischofswort aus dem Internet ausdrucken könnte. Sie erklärt ausführlich, wem sie alles von dem Bischofswort erzählt hat und wer alles und warum so eines braucht. Sie erzählt, dass sie privat (das ist das Wort, das sie gebrauchte) mit ihrer Familie und Freunden darüber spricht. Sie hat Kontakt zu Menschen in einem anderem Bistum, in dem diese Menschen gehört haben, dass sie sich mehr anstrengen müssen und dass die Kirchen nur erhalten bleiben, wenn alle sich Mühe geben. Das sei etwas ganz anderes, sagt die Frau, als unser Bischof uns sagt. Darum säßen sie beieinander und reden darüber. Privat.

Der Geist weht Gott sei Dank wo er will.

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https://www.erzbistum-paderborn.de/38-Nachrichten/24320,Gro%DFes-Echo-auf-den-Brief-von-Erzbischof-B...

https://www.bistum-essen.de/presse/artikel/bischof-overbeck-wir-stehen-vor-einer-kirchlichen-zeitenw...

https://www.bistum-essen.de/presse/artikel/bischof-overbeck-wirbt-fuer-neue-haltung-gegenueber-homos...

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Ein Neujahrsgruß ist ein Wort von Gewicht, wenn es länger in den Köpfen der Menschen bleibt als bis zum Leeren des Sektglases. Bischof Dr. Overbeck hat in seinem Bischofswort einige Fässer markiert, die ernsthat in diesem Jahr angestochen werden. Der Presseartikel zum Thema Homosexualität läßt darauf schließen. Der ist nur ein Merkmal. Alles andere kommt ja noch. Work In Progress. Hörende, die zu Tätern werden, weil sie sich ermutigt fühlen. Hörende, die nicht zuerst danach fragen, ob der Pastor es denn richtig finden wird, sondern dem Klang der Botschaft in ihren eigenen Herzen nachgehen und nicht anders können, als darüber zu sprechen. Gott sei Dank.

Und wer hat nun Schuld, dass die Broschüren nicht in die Kirchen verteilt waren? Die Gesellschaft? Das System? blahblahblah Während die einen ihren Sitzungskatholizismus pflegen, gehen die anderen ganz privat zur Sache und fühlen sich nicht exkommuniziert. Die einen betrauern einen morschen Kahn, die anderen bauen ein seetüchtiges Boot. Die einen machen alles richtig und nie irgendwelche Fehler, weil sie immer rechtzeitig die Schuldigen finden. Die anderen verstehen das Problem nicht, zucken mit den Schultern und wenden sich wieder dem eigentlichen Thema zu.

 

Seite 5 - Reportage: Die Benediktinerinnen der Abtei St. Hildegard

Die FAZ mit einem alternativen Fakt (die Äbtissin sieht ganz anders aus). Ansonsten alles richtig (Frauenpower im Kloster).

 

ein paar Tage Berlin

Mit dem Zug nach Berlin. Weggefahren bin ich dann auch mit einem Zug, aber es war der Flixzug. Das Unternehmen hatte hatte das Startup Locomore übernehmen und macht offenbar da weiter, wo diese geendet sind: alte Waggons, mit Branding oder ohne (es gab sogar einen Waggon im Locomore-Style), innen sauber aber alt, Steckdosen und WLan funktionierten leider nicht, aber im Waggon ganz am Anfang gab es einen Kiosk mit Bio-Angeboten (ich saß im letzten Waggon). Mit mir saßen viele Menschen mit Migrationserfahrung und viele Akademiker im Zug.

In Berlin wohne ich immer im Hotel Grenzfall und es war wie immer perfekt.

Mein erster Eindruck in Berlin:

Hier sind ja kaum Bettler

Im Ruhrgebiet wird man auf den Fußgängerzonen und am Bahnhof ständig angebeldet, mal aggressiv, mal entsetzlich verwahrlost und demütigend. Aber dann betrat ich die U-Bahn. In den 4 Tagen in Berlin gab es nicht eine Fahrt, die nicht mit Musik oder Gesprächen im Rahmen von Bettelei vergingen. Das ist ein interessantes Konzept.

Man betritt die U-Bahn. Sucht sich einen Sitzplatz. Hängt seinen Gedanken nach oder spricht mit jemandem. Dann betritt jemand den Wagen und fängt an auf einem Instrument zu spielen. Derselbe Mensch läuft anschließend von Sitzplatz zu Sitzplatz und hält die Hand auf. Mancher Bettler ist penetrant, will nicht weitergehen, schaut einen auffordernd an. Es stimmt ja auch: Jeder weiß, dass es Bettlern schlecht geht. Kaum ist der Bettler weg, kommt schon der nächste. Noch so eine Masche: Jemand betritt den Waggon und beginnt mit einer Rede. Er spricht  die Fahrgäste direkt an, erzählt seine Geschichte oder das, was er für seine Geschichte hält. Eine Frau verkauft Zeitungen. Ich kaufe eine. Das Erscheinungsdatum liegt ein halbes Jahr zurück. Man kann nicht U-Bahn fahren, ohne angebettelt zu werden. Die Zugänge sind  lang und voll mehr oder wenig guter Musik. Es ist nicht möglich, dieses wunderbare und praktische U-Bahn-Netz zu nutzen, auch das S-Bahn-Netz nicht, ohne dass man ins Grübeln kommt. Ich kann nicht ständig Geld geben. Wieviel Geld soll ich geben? Was ist mit dem, dem ich Geld gebe? Kann ihm geholfen werden? Was würde ihm helfen? Dieses Betteln im Netz des ÖPNV ist ein zielführendes Konzept, wenn man an Geld kommen will. Aber man kommt auch nur an Geld, sonst an Nichts. Es ist traurig. Deprimierend.

Kreuzberg, sagte Raul Krauthausen, sei gar nicht so gefährlich, wie immer behauptet wird. Wir hatten eine nettes Abendessen im kleinen Kreis in einem netten mexikanischen Restaurant. Kaum aus der Tür raus, begegneten uns wieder diese abgrundtief traurigen Menschen, rat- und hoffnungslos, wie gesprenkelt unter die, die es geschafft haben und immer ein bisschen ablehnend wirken, als hätten sie Angst vor etwas.

Es gibt übrigens Buchhandlungen in Berlin. Buchändler sind ja die Bauern der modernen Zeit. Sie wissen, was ich meine. Nur in Berlin findet man tatsächlich (ich warte auf Widerspruch; es freut mich, immer wieder Buchhandlungen zu finden) diese mit Liebe und Kenntnis geführten Läden wie das Ocelot. Dort konnte ich endlich Der Umfall aus dem Avant-Verlag kaufen, auf das ich vergeblich in meinem Büro gewartet hatte, weil der Hermesversand die Tür nicht gefunden hat. Diese Grafic Novel ist empfehlenswert, wenn man nicht alles glaubt. Es handelt sich um ein Auftragswerk aus Anlaß eines Jubiläums einer Einrichtung für Menschen mit Lernbehinderung. Es ist sehr gut und unterhaltsam gezeichnet. Die Geschichte selber ist in kleine thematische Abschnitte eingeteilt. Aber ganz so glatt wie erzählt geht die Eingewöhnung eines Lernbehinderten in eine stationäre Wohneinrichtung eben nicht.

Vor dem Kultrad bin ich eigentlich nur wegen der Bierflaschen in der Auslage stehengeblieben. Dann stachen mir der Klappradluxus ins Aufe. Was soll ich sagen? Es war nett. Wie kann es sein, dass so ein exklisiver Laden auf so schlichte Weise in einer unauffälligen Straße existieren kann? Vermutlich, weil die Website eine ordentliche Reichweite hat. Mit uns waren Menschen aus Sachsen im Laden, die ihre Vorbestellung abholten.

Es hat die meiste Zeit geregnet. Es war nicht schön draußen und die U-Bahn ist auch nicht immer schön. Es gab eine Stellwerkstörung im zentralen Bereich. Stunden unter der Erde und als Fremdling hat man beim Umsteigen was zu tun mit Sucherei. So stieg ich auch mal in die Fahrradrikscha [Dirk Maretzki, 01702664843]. Eine empfehlenswerte Alternative zum Taxi in der Innenstadt. Man wird einfach am stehenden Verkehr vorbeigefahren. hähähä

Während des Redesigns (ich zitiere bloß) der Hedwigskathedrale werden die Gottesdienste nach Sankt Joseph ausgelagert. Dazu liegen Faltblätter aus mit einer Anfahrtsbeschreibung: 6 Stationen mit der U6. In der Stadt sind Pfarreientwicklungsprozesse dank Öffentlichem Personennahverkehr einfacher. Die im Faltblatt angegebenen Webadressen helfen nicht weiter. Aber wer braucht das Internet, wenn es so ein Faltblatt gibt?

 

 

November von innen

November von innen

Der Tee ist frisch und duftet. Draußen ist es im Verlauf der Woche kälter geworden. Erst liefen wir noch im T-Shirt rum, dann deckte der Nebel alles zu. Das war im Rheingau. Jetzt bin ich wieder im Ruhrgebiet. Drinnen ist wärmer als draußen. Kraniche rufen uns was zu, aber wir verstehen es nicht richtig. Sicher war es etwas wie: "Macht s gut. Wir kommen nächstes Jahr wieder."

 

Bienen auf Åland

Es ist das gleiche Geräusch, dass ich aus Audios per Audacity entferne. Viele dieser ungewöhnlich hohen Bäume (Insellage) brummen im Sommer. Man kann ruhig näher ran gehen. Die Bienen sind beschäftigt. Alles was Blüten hat, wird von Bienen besucht.

Es ist nur ein Ausschnitt, den Sie hier hören.

Stellen Sie sich vor, Sie gehen durch den Wald und auf einmal hören Sie dieses Geräusch. Es ist fremd und unheimlich, weiles offenbar nicht in den Wald gehört. Sie denken vielleicht, dass ein Parkplatz in der Nähe sein muss oder eine Hütte. Und dann entdecken Sie die Quelle. Es ist ein Baum voller Bienen.

 

Wo ist mein Zuhause ?

An einem fremden Laptop, ohne meine Favoriten den Browser geöffnet und gemerkt

Welche Adresse will ich öffnen ?

Am heimischen Laptop sind sofort die relevanten Reiter offen und werden von links nach rechts besucht. Aber jetzt fehlen mir die Passwörter für einige Accounts. Ähnlich geht es mir beim

Betriebssystem

Am Einfachsten ist es mit Ubuntu, aber richtig froh bin ich damit nicht. Ein paar Jahre nehme ich dieses oder jenes aus der breiten Palette von Linux. Nirgends bleibe ich lange. Zuerst war es die Lust am Neuen. Jetzt ist es die Sehnsucht nach etwas, das Bestand hat.

Nachdem ich meinen Kalender im Hotel auf Aland (mit Kreis auf dem ersten A) liegengelassen habe, beginne ich die Nutzung eines Kalenders auf meinem Smartphone. Der liegt in einer Cloud.

Auch daran muss ich arbeiten. Tatsächlich ist das Smartphone ein interessantes Werkzeug. Ich traue ihm noch nicht so ganz. Allerdings kann ich meinen Kalender nicht verlieren, wenn er in der Cloud ist.

Wir nehmen, was wir brauchen

Die Alten nutzen Telefon und Fernsehen, Zeitung und Handy, Post und den Tratsch auf dem Markt. Heute erzählte mir eine alte Dame ganz begeistert, ihr Handy habe auch eine Kamerafunktion. Wir tauschten uns über Nutzen und Unsinn moderner Technik aus. Sie ist auf einen Gehstock angwiesen und hat für weitere Wege ein Gerät, dass sie Scooter nennt. Es ist ein Scooter. Sie benennt die Dinge, wie sie heißen. Sie hat kein Problem damit. Sie ist in den 90igern. Ich rechne ein bisschen und ahne, was sie alles an Veränderungen miterlebt hat. Sie gehört zu denen, die das Leben leben. Sie sehnt sich nicht zurück in eine vermeintlich heile Welt.

Wir nehmen, was wir brauchen. Das bedeutet nicht, dass wir horten und Geschäfte machen. Wir brauchen einfach nur das, was wir brauchen. Horten müssen wir nicht mehr, weil wir wissen, dass wir bekommen, was wir brauchen. Es liest sich wie ein Utopie. Aber die alte Dame sieht das Leben so. Man muss nicht alles haben, um es nutzen zu können. Dieser Scooter beispielsweise gehört der Krankenkasse. Das ist auch gar nicht schlimm. Die Wohnung gehört ihr ja auch nicht, die hat sie nur gemietet.

Mit der Cloud ist sie nicht einverstanden. Es müsste was geben, was alle nutzen können und wo man trotzdem nicht beklaut wird, sagt sie. Und ich antworte, aus solchen Ideen entstünden neue Programme. So entwickelt sich alles weiter. Sie nickt. Ich muss an die vielen Flüchtlinge denken. Und ich denke, sie sollten bekommen, was sie brauchen, und wir sollten ihnen geben, was sie brauchen, wenn wir es haben. Wir können teilen. Insbesondere unsere Lebenserfahrung können wir teilen. Nur nehmen, was man braucht. Nur haben, was man braucht. Keine Angst haben müssen, dass man zu kurz kommt. Aber das kann man zwar erzählen und leben, verordnen und in Gesetze packen kann man es nicht.

Heute ging es im Sonntagsevangelium wieder um das Brot und die Menschen, die Jesus suchen, weil er Brot vermehren kann. Er klärt das Missverständnis auf. Aber damit ist es noch nicht klar. Wie soll man das verstehen? Essen muss jeder. Leider sind wir zu dick - im Durchschnitt. Denn das Essen ist die schnellste Möglichkeit der Selbstbefriedigung. Alles andere gibt der Sehnsucht Konturen und führt über unbekannte Wege irgendwohin, wo nie ein Mensch zuvor gewesen ist.

 

Mein erstes Aland

Wie bekomme ich nur diesen Kreis auf das A? Stellen Sie sich bitte immer einen Kreis auf dem A vor, wenn Sie Aland lesen in diesem Artikel. Es ist diese Inselgruppe zwischen Finnland und Schweden, die in Finnland einen Sonderstatus hat und auf der man schwedisch spricht. Sie bezahlen in € und bekommen Briefmarken, die nur auf Aland gelten. Weil ich mich nicht gut vorbereitet hatte, fand der Urlaub nur auf der Hauptinsel statt. Fahrradfahren ist anstrengend wegen der Felsen, aus denen die Insel besteht. Es geht rauf und runter und im Juli 2018 knallte die Sonne erbarmungslos. Beim nächsten Mal werde ich mich über den Fährverkehr zwischen den Inseln erkundigen.

Hin kommt man von Grissleholm (Schweden) oder Turku (Finnland). Alles andere ist Spaß oder hat tieferliegende Gründe.

Eine Schöne Überraschung war das "Segel", mit dem das Fährschiff Grace angetrieben wurde: Norsepower. Wir haben Abende im Internet verbracht, um uns zu informieren. Wunderbar. Es gibt Erfingungen, die werden vergessen und dann von einem Startup wiederentdeckt und angewendet. Sehen Sie selbst.

Schwarzbrot gab es in unserer Unterkunft nicht. Dabei gehört dieses Schwarzbrot zu den Spezialitäten. So stand es im Reiseführer. Es gibt Apfelmost. Sehr lecker. Und es war so heiß, das die schlauen Rehe aus dem ausgedörrten Wald über die Absperrungen in die Gärten kamen, um die Blumen wegzufressen. Die Touristeninformation vor Ort haben wir als nicht sehr pfiffig erlebt. Manches Feine entdeckten wir anhand der POIs mit OSMand+. Diese Navgations-App kam zum Einsatz, weil Garmin Skandinavien nicht zu Zentraleuropa zählt (was irgendwie verständlich ist, wenn man an die Datenmenge denkt).

Sehenswert sind die alten Kirchen in ihrer Schlichtheit und Größe. Wuchtige und liebevoll gestaltete Gotteshäuser. Es gibt einen dicken Band mit Bildern und Erklärungen, der in allen Kirchen, die wir besucht haben, ausliegt. So kann man sich jeweils über Besonderheiten und den Stand der Forschung informieren. Die Kirchen sind wochentags geöffnet, wenn man in den Ferien zu Besuch kommt. Dann sitzt schon mal ein junger Bursche in der letzten Bank und liest seine Comics. Hauptsache, es ist jemand vor Ort. Die Tiekirkko (Wegkirche, vergleichbar mit unseren Autobahnkirchen, nur dass sie Gemeindekirchen sind) in Jomala war am Wochenende geschlossen.
Offensichtlich sehr alte Zeichnungen auf Putz konnte ich nur teilweise entschlüsseln. Sie wirken anrührend.

 

Es müsste ein Wohnen geben, das ein Leben ist. Und so müsste auch Kirche sein.

Wir haben einen Pastor, der ist musikalisch. Wenn er sich unbeobachtet fühlt, improvisiert er über Themen aus Klassik und Jazz bis der Arzt kommt. Aber weil die Dinge sind wie sie sind, wird er im Alltag aufgerieben. Taufe, Berrdigung, Hochzeit, Heilige Messe, Geburtstagsbesuch, eine Sitzung nach der anderen. Es ist nicht jedem gegeben, für seine Lebensentwürfe zu kämpfen. Und so weiß seine Gemeinde nicht, dass Gottesdienste auch ganz anders aussehen könnten.

Wir haben im Bistum Essen sogar eine Abteilung, die sich mit dem Umwidmen von nicht mehr gebrauchten Kirchen befasst. Wer zupackend unterwegs ist, kann aus seiner Kirche was machen. Es gibt schon richtig schöne Beispiele von Umbauten, die eine Weiterentwicklung sind.

Als wir noch aus dem Vollen schöpfen konnten, sah es so aus, als bräuchten wir uns nicht zu kümmern. Darum kann man manche Gebäude ohne Bedauern abreißen. Sie sind marode. Nur die Gemeindemitglieder, denen das Lebendige im Gottesdienst abgeht, sehen im Stadtteil die Kirche schwinden. Wir sind wie paralysiert in unseren Gemeinden. Es werden Fördervereine gegründet, aber es findet kein Diskurs statt.

Es müsste neue Wohnformen geben, die die Durchlässigkeit von Leben und Glauben möglich machen. Und es müsste klar sein, dass beruflich Tätige in der Kirche auch Glaubende sind wie alle anderen in den Gemeinden. Wenn das so wäre, wäre auch klar, dass die gesamte Bandbreite unserer Kultur mit unserer Kirche nicht nur in Berührung kommen muss. Wir müssen nicht "zu den Menschen gehen", weil wir die Menschen sind. Alles andere ist bullshit.

Und jetzt. Musik!

 

 

Strohhalme, Informationsoverload und die Wahrheit

Aber eigentlich geht es hier darum, dass wir in der katholischen Kirche das Mitgefühl verlernen, weil wir das Veröffentlichen von Daten nicht auf die Reihe bekommen. In meinen beruflichen Anfängen konnten wir Aushänge im Schaukasten machen, wenn jemand gestorben war oder zwei heiraten wollten. Von Anfang an redeten wir nur darüber, ob wir das dürfen oder nicht. Wir sprachen nicht über die Menschen, mit denen wir es zu tun hatten, die wir kannten oder nicht kannten. Nur die Insider, die gaben einander Informationen über Krankenhausaufenthalte, Bedürftigkeiten und heiße Tipps.

So nahm alles seinen Lauf. Heute wissen wir nicht, wie wir mit der DSGVO anders umgehen können, als es für eine Einschränkung unserer Kreativität zu halten. In den zur Verfügung gestellten Generatoren werden Datenschutzerklärungen erstellt, die so oft das Wort Google enthalten, dass es schon zum Lachen ist. Wir sind das älteste Netzwerk der Menschheit, aber haben das vernetzen verlernt. In unseren Kreisen ist die Meinungsbildung kein Teil der Kultur. Teil der Kultur ist das Zurechtkommen mit dem, was "von oben" kommt (wobei der Bischof gemeint ist).

Viele Informationen, vieles, was man entscheiden müsste. Wir müssten mehr miteinander reden, aber nicht, um alles im Griff zu behalten, sondern um voneinander zu lernen.

Open Data und Privatsphäre

Open Data ist ein Begriff. Damit bezeichnet man die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit von Daten durch die Öffentlichkeit. Beispielsweise werden Daten, die im Besitz der Stadt Wuppertal sind, öffentlich zugänglich gemacht. Es geht dabei nicht mehr nur um Öffnungszeiten, Telefonnummern und Adressen. Alles, was von öffentlichem Interesse ist, wird gepflegt, präsentiert und kann genutzt werden. Das motiviert Bürger und Bürgerinnen zum Mittun. Sie sind nicht nur Teil ihrer Stadt, sondern betrachten das Ganze als ihr Eigentum (nicht als Besitz, den sie verkaufen könnten, sondern als Wert).

Macht euch die Erde untertan

- Genesis 1 und 2

Die Stadt ist nicht Sache der Stadt als eines unpersönlichen Gebildes. Die Stadt, das sind wir.

Es werden nicht Namen, Adressen und Sonstiges der Bürger und Bürgerinnen veröffentlicht. Das ist Privatsphäre. Die Privatsphäre wird geschützt. Was offen sein kann, wird geöffnet und allen zugänglich gemacht.

Kirche

Wuppertal soll ein Bild sein für das, was Kirche sein könnte. Stellen Sie sich vor, mit der Kirche wäre es genau so. Alle Daten wären öffentlich zugänglich, solange sie nicht mit Privatsphäre verknüpft wären. Man müsste nicht danach suchen. Die Daten wären so aufbereitet, dass man sie lesen und nutzen kann. Niemand würde behaupten, es wäre alles öffentlich, solange es nicht auch leicht zu finden ist und nutzbar ist.

Wie viele Gebäude haben wir?

Wie umfangreich ist der Haushalt und wer ist für ihn verantwortlich?

Wie wird entschieden, wer was bekommt?

Wer hat Zugang zu den Sakramenten?

...

Zu Open Data und Privatsphäre kommt noch :

Transparenz

Gut wäre es , wenn Vorgänge transparent wären. Wer spricht mit wem? Wie werden Entscheidungen getroffen? ... Und das alles ohne Rückgriff auf Totschlagargumente. Das Anliegen eines Mitmenschen würde ernst genommen. Man würde ihm nicht mit Paragraphen oder Bibelstellen kommen, sondern zuhören, verstehen lernen und aus dem Dialog die notwendigen Antworten finden. Das wäre möglich, weil jeder Mensch neu Lust bekommen, sich in einen Dialog mit seiner Kirche zu begeben. Denn es wäre möglich, die richtigen Telefonnummern und E-Mail-Adressen zu finden. Man stünde nicht mehr vor verschlossenen Türen, weil es kein Herrschaftswissen mehr gäbe. Alles wäre getränkt von dem Willen, zu leben wie Jesus. Damit das gelingen kann, müssen alle Menschen sich beteiligen - oder doch zumindest eine Menge Menschen. Die Verwaltung muss Wege bereitstellen. Anders geht es nicht. Denn sie hat die Macht. Es reicht nicht, Prozeduren einzurichten und öffentlich zu machen. Es müssen diese Prozeduren auch genutzt werden können. Wenn es so wäre, könnte niemand mehr herrschen, indem er teilt.

Die Verantwortung ...

... liegt bei den Mächtigen. Natürlich ist alles im Internet und sonstwo vorhanden, aber die Informationsflut macht einen bekloppt. Man wird hin und her gezerrt von sich widersprechenden Meldungen. "Ist der Bischof von Essen jetzt progressiv oder konservativ?" Diese Frage könnte man getrost der Privatsphäre überlassen, wenn man sich nicht übergangen fühlte. Noch ist nicht transparent, wo welche Informationen langfließen. Noch ist nicht gewährleistet, dass Informationen da ankommen, wo sie hinsollen. Was muss ich wissen? Was kann weg? Jeder einzelne Mensch kann in Wuppertal und in der Kirche Verantwortung übernehmen, wenn es möglich gemacht wird.

Strohhalme und die DSGVO

Lobbyarbeit sorgt allerorten für Verwirrung. Lobbyarbeit hat Ziele vor Augen und Macht im Sinn. Ihr haben wir es zu verdanken, dass die DSGVO mehr Verwirrung anrichtet, als sie es ohnehin schon getan hätte. Aber die DSGVO ist nicht verabschiedet worden, weil die Menschheit unterjocht werden soll, sondern weil die Macht von Facebook, Google, Amazon und einigen anderen bedrohlich wird. Die Privatsphäre muss geschützt werden. Fakemedlungen verbreiten Angst vor der DSGVO. Da hilft nur informieren.

Die EU will Plastikzeug verbieten. Es geht um Einweggeschirr. Im Grunde geht es um die Rettung des Planeten, weil die Weltmeere voll sind von dem Zeug. Verwirrung stiftet diese Meldung in der Behindertenszene, weil mancher Mensch dank dieser Strohhalme gut trinken kann. Alles andere wäre unschön. Schnabeltassen sind kein Ersatz. Der Aufschrei ist nicht halb so gut zu vernehmen wie der mit der DSGVO. Aber er ist da. Wenn nun Meinungsbildung und Verantwortung Teil unserer Kultur wären, würden Betroffene schlicht Kontakt mit verantwortlichen Stellen aufnehmen und ihr Anliegen mitteilen. Man würde im Dialog die Antwort auf das Problem finden. Fertig. Und jetzt wissen Sie auch, wie die Strohhalme in die Überschrift gekommen sind.

 


 

Account gelöscht

Bevor ich meine Fotos zusenden lassen konnte, war das Konto schon gelöscht. Weg die Daten, weg die Fotos. Kein Bedauern. Seit 2017 lösche ich einen Account nach dem anderen. Auch das Wegwerfen, Entsorgen oder Verschenken meiner Sachen macht Freude. Brauch ich das? Kann das weg? Ja, und Kunst mach ich jetzt auch wieder ganz gerne. Kunst tut gut. Was wirklich Mühe macht, ist das Vermitteln von Werten. Selbst im Christlichen Kontext setzen wir lieber auf Macht "Da müssen überall Kreuze hin." als auf Nächstenliebe "Herzlich willkommen." Ich kann es nicht erklären. Aber ertragen kann ich es auch nicht mehr, darum muss sich mein Leben ändern. Teilen. Das müsste doch gehen. Ganz seltsam ist die Erkenntnis, dass Geld nichts wert ist. Verstanden habe ich es schon, aber leben kann ich es noch nicht so recht. Werfe ich das Geld aus dem Fenster? Gebe ich es aus? Spende ich es? Spare ich es? Es ist wie mit meinen Sachen, die auch nicht so leicht loszuwerden sind. Zu wenig Geld, um eine Haus zu kaufen, zu viel Geld, um keine Verantwortung zu haben.

Papiertüte auf Holzbank. Aufschrift: There are so many beautiful reasons to be happy.

Photo by Brigitte Tohm on Unsplash

Account gelöscht. "Schade, dass du gehst." So was höre ich im nicht-digitalen Leben selten. Es ist schon ziemlich geschickt formuliert. Aber die böse, böse DSGVO macht mir Beine. Mir ist klar, was ich weiß und was ich kann und dass noch viel zu lernen bleibt. Weniger Zeit mit Accounts verbringen, mehr Zeit mit Mensch und Natur und Gott (sowieso). Und wenn die Accounts zu Kommunikation verhelfen, werden sie auch nur dann gelöscht, wenn es zu viele und zu heftige Verstöße gegen Menschenrechte und Freiheit gibt (DSGVO). Dezentrale Netzwerke - darüber will ich mehr lernen. Transparenz und Persönlichkeitsrechte gehören zusammen. Transparent müssen die technischen Vorgänge und die Verwaltung sein, Persönlichkeitsrechte müssen geschützt werden. Mich begeistert, wie viele Menschen sich tatsächlich mit solchen Themen befassen. Einfach so. Weil sie es wollen und können. Alles was mit Crowd anfängt, mag ich sehr. Mit Crowdfunding habe ich schlechte Erfahrungen gemacht, aber das habe ich trotzdem nicht aufgegeben. Crowdworking finde ich 1 A und eine perfekte Möglichkeit, die Wege über die eigenen Möglichkeiten hinaus zu erweitern, zu lernen und eine Kultur für die Zukunft zu entwickeln. Ich hoffe auf mehr KI in der Pastoral, die uns Arbeiten abnimmt, die uns derzeit an Seelsorge hindern.

Den Account Nummer 43 habe ich seit Beginn einer wichtigen Entscheidung gelöscht.